Heinrich Böll schrieb die Erzählung "Die Waage der Baleks", in der es darum ging, dass die Unternehmerfamilie Balek von Bilgan ihre Waage absichtlich falsch geeicht hat, um den kärglichen Preis, den die Bauern und Bauernkinder für das Sammeln von Pilzen und Heilkräutern bekamen, noch weiter nach unten zu drücken. Es kommt zu einem Aufstand, der allerdings niedergeschlagen wird: Die Bauern müssen sich in dieser Geschichte weiterhin dem ungerechten Schicksal unterwerfen und den Baleks weiterhin ihre Pilze und Heilkräuter verkaufen, obwohl sie wissen, dass sie betrogen werden. Leute wie die Baleks haben auch keine Skrupel, die Waagen falsch zu eichen, mit denen sie die Mengen für ihre Kunden falsch abwiegen, um noch mehr Profit zu machen; sie messen also mit zweierlei Maß. Der eigene Profit zählt, auch wenn Andere dabei vor die Hunde gehen.
Dabei werde ich an die heutige Zeit erinnert, in der mir Vieles so ähnlich vorkommt: Nicht umsonst wird über Mindestlöhne diskutiert, denn in einigen Branchen wie der Gastronomie und dem Wachgewerbe werden Löhne selbst bei ausgebildeten Personen auf unter 5 Euro brutto die Stunde gedrückt. In einigen Branchen - so auch auf dem Bau, im Speditionsgewerbe, bei Funkmietwagen, bei Verkaufsfahrern - setzt man Scheinselbstständige ein, um die Sozialversicherungsbeiträge zu senken und das Risiko möglichst umfassend auf die Mitarbeiter abzuwälzen. In den Schlagzeilen unserer Zeitungen ist immer wieder zu lesen, dass es Unternehmer gibt, die ihre Verluste sozialisieren, also auf die Gemeinschaft abschieben wollen, während sie ihre Gewinne zu einhundert Prozent privatisiert haben wollen. Auch das ist zweierlei Maß.
Zudem hat jeder von uns schon Ungerechtigkeit erlebt. Vielleicht war es der Lieblingsschüler, der sich alles erlauben durfte, während das Stiefkind der Klasse zum Sündenbock für alles und alle wurde, und der Spruch - "Die Kleinen hängt man, und die Großen lässt man laufen" - hat sich leider oft schon bewahrheitet. Zweierlei Maß besteht also nicht nur bei Gewichten und anderen Maßeinheiten, sondern auch im Umgang miteinander. Das allerdings ist Unrecht, und Gott hasst Ungerechtigkeit.
Gott bezeichnet das als Greuel, als übel tun. Damit hat Er natürlich recht. Ein Kilo sind nun einmal nicht 900 Gramm und ein Fuda besteht aus 1000 Litern. Ein Dutzend besteht immer aus zwölf Teilen, ein Gros sind 144 Stück. Ein Pfund sind 500 Gramm, und ein Zentner besteht nun einmal aus 50 Kilo. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber bei uns vorgeschrieben, dass auf Preisschildern angegeben sein muss, wie hoch der Preis für ein Liter, für 100 Gramm oder ein Kilo ist, um so den Kunden bei unterschiedlichen Verpackungsgrößen den schnellen Preisvergleich zu ermöglichen.
Wer mit zweierlei Gewichten und Maßen misst, der lügt und betrügt und verliert seine Ehrlichkeit auch in anderen Dingen, weil jede Sünde automatisch eine weitere hervorbringt. Mancher Einbruch endete mit Mord, weil der Dieb sich Zeugen vom Hals schaffen wollte.
Zum Glück kommt es nicht immer so krass, und doch hat Sünde immer negative Folgen, auch wenn wir sie zunächst nicht wahrnehmen. Mancher konnte das eigene Versprechen nicht einhalten, weil er von einem Anderen im Stich gelassen wurde und verlor damit unverschuldet die eigene Glaubwürdigkeit. Und manchmal konnte dadurch Wichtiges nicht oder sehr verspätet erledigt werden.
Ehrlichkeit ist Voraussetzung für ein gutes Miteinander und Grundlage für Vertrauen. Dort, wo gelogen wird und deshalb Misstrauen herrscht, gehen menschliche Beziehungen kaputt und wird ein gutes, gedeihliches Miteinander zerstört. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, jedem das zu geben, was ihm zusteht. Krumme Geschäfte fallen negativ auf das eigene Unternehmen und die eigene Person zurück.
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