Der Großvater

Gedicht


Im Lehnstuhl am Fenster sitzt er allein,
Tag für Tag im Altenheim.
Vor einem Jahr brachten sie ihn hierher,
seine Kinder wollten ihn nicht mehr.
„Du machst zuviel Arbeit, es fehlt uns die Zeit,
im Heim hast du’s besser, es ist ja nicht weit.“

Als seine Kinder so zu ihm gesprochen,
sein altes Herz ward ihm gebrochen.
Nun wartet er voll Schmerz und Gram,
weil keiner ihn besuchen kam.

Eine Abwechslung, die tags ihm winkt,
ist, wenn jemand sein Essen bringt.
Oder morgens, zum Waschen, so gegen acht,
dann abends, wenn man ihn bettet zur Nacht.

Fernseh’n vermisst er gar nicht so sehr
und Zeitung lesen kann er nicht mehr.
Die Augen sind schon seit langem trübe,
er fühlt sich nur unsagbar müde.
Der Gang zur Toilette ist mühsam und schwer,
man stellte ihm einfach einen Stuhl dafür her.

In der Ecke läutet das Telefon:
„Ein wenig Geduld, ich komme ja schon.“
Aus seiner Hand rutscht eine der Krücken
und bleibt auf dem Boden, er kann sich nicht bücken.
Mutlos lehnt er sich wieder zurück
mit tränenden Augen und traurigem Blick,

greift nach dem Löffel, seine Hand heftig zittert,
führt sie zum Mund, doch die Hälft’ er verschüttet.
Er nimmt sein Hörgerät aus dem Ohr
und kommt sich einsam und verlassen vor.
So sitzt er da und die Zeit vergeht,
seine knöchernen Hände falten sich zum Gebet.
Mit tiefem Seufzen, ganz leise, er spricht:

„Lieber Vater im Himmel , verlass’ mich nicht!
Ich bitte dich, oh Herr und mein Gott,
hilf mir doch hier, in meiner Not.
Schließ’ bald meine Augen für immer zu,
dass mein altes Herz finden mög’ Ruh
und lass mich doch bitte, mit fröhlichem Lachen,
erst am jüngsten Tag wieder erwachen.“


(Gedicht, Autor: Anette Esposito)


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