Schöpfung oder Evolution?


"Denn das ist ohne Zweifel der höchste Artikel des Glaubens, darin wir sprechen: Ich glaube an Gott, Vater, Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde. Und welcher das rechtschaffen glaubt, dem ist schon geholfen... Aber wenige sind ihrer, die so weit kommen, dass sie völliglich glauben, dass er der Gott sei, der alle Dinge schafft und macht" (Martin Luther, Predigt über 1. Mose 15,27)

Wie soll aber ein wissenschaftlich gebildeter Mensch wie ich den biblischen Schöpfungsbericht für wahr halten? Er widerspricht offenkundig dem, was die Naturforscher über die Geschichte des Weltalls und des Lebens auf der Erde herausgefunden haben. Ich nenne nur einige Beispiele:

1. Wir wissen heute durch Beobachtungen und Messungen, dass die Sterne keine "Lichter an der Feste des Himmels" sind, sondern riesige Zusammenballungen ionisierter Gase, in deren Innerem Atomkerne verschmelzen. Und der Himmel ist keine "Feste", sondern ein unendlicher leerer Raum.

2. Wir wissen durch Funde von Fossilien, dass die ersten Lebewesen Einzeller waren, denen einfache wirbellose Meerestiere folgten. Wir wissen, dass zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die vor Millionen Jahren die Erde belebt haben, ausgestorben sind. "Gras und Kraut, das Samen bringt, und fruchtbare Bäume" kamen sehr viel später - und erst recht "große Walfische", "gefiederte Vögel" und "Vieh".

3. Wir wissen ebenfalls durch Funde, dass vor den heutigen Menschen affenähnliche Vorformen des Menschen gelebt haben - je älter die Funde sind, um so affenähnlicher sind sie. Das legt die Vermutung nahe, dass der Mensch von diesen affenähnlichen Vorfahren abstammt und nicht "aus Erde vom Acker" geformt wurde.

Offensichtlich kann nur eines wahr sein - entweder der biblische Schöpfungsbericht oder die Erkenntnisse der Naturwissenschaftler. Es mag sein, dass Hypothesen wie die Urknalltheorie oder die Evolutionstheorie nicht in allen Details stimmen, doch ich zweifele nicht daran, dass ihre Grundaussage mit den empirischen Forschungsergebnissen übereinstimmt: Das Weltall, das Leben und der Mensch haben sich in Jahrmilliarden bzw. Jahrmillionen entwickelt.

Ist der Schöpfungsbericht vielleicht etwas ungenau oder bedient er sich einer bildhaften Sprache - meint aber dasselbe wie die Naturwissenschaftler? Das glaube ich nicht. Der Schöpfungsbericht sagt ganz klar: Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen - so, wie sie noch heute ist - und hat sich am siebenten Tag ausgeruht. Ich zweifele nicht daran, dass das wörtlich gemeint ist. Und genau so will ich es glauben.

Aber wie kann ich das - als vernünftiger Mensch? Ich habe keinen Grund, tausenden von Naturwissenschaftlern zu misstrauen. Das sind hochintelligente Leute, die sorgfältig und gewissenhaft ihre Arbeit machen und sich genau überlegen, was sie sagen und schreiben, denn für jeden Fehler werden sie von ihren Kollegen öffentlich kritisiert und müssen um ihren Ruf bangen. Zwar gibt es noch manche Lücke in den Theorien über den Kosmos und die Evolution - aber da sollte man nicht den lieben Gott als "Lückenbüßer" hineinstopfen. Es gereicht ihm nicht zur Ehre. Ich will an Gott, den Allmächtigen glauben, den Schöpfer des Himmels und der Erde - nicht an einen Gott, der nur ein Rädchen ist in einem von Naturkräften gelenkten Weltgetriebe!

Ich will glauben - was soll ich tun? Meine Vernunft sagt mir, dass die wissenschaftlichen Theorien, mögen sie auch nicht frei von Irrtümern sein, doch wesentlich plausibler sind als die Berichte der Bibel - eines alten Buches voller Wundergeschichten. Habe ich trotzdem die Freiheit zu wählen, was ich glauben will?

Ja - denn beweisbar sind die Theorien der Naturforscher nicht. Keiner ist dabeigewesen bei der Entstehung der Welt und des Lebens. Auch diese Theorien werden letztlich nur geglaubt - aber sie erscheinen der Vernunft viel glaub-würdiger als die Schöpfung. Zwar ist meine Vernunft kein Gott, dem ich gehorchen muss. Trotzdem wehrt sich mein Denken dagegen, die unglaubliche Geschichte von Gottes Sechs-Tage-Schöpfungswunder für wahr zu halten.

Vielleicht ist das das Schwerste: demütig "sein Denken Gott gefangen zu geben" (wie Rudolf Bultmann es nennt). Auf Gottes Stimme mehr zu hören als auf die Stimme der eigenen Vernunft ("Fleisch, Welt, Vernunft / sag immer, was du willst / mein's Gottes Stimm mir mehr als deine gilt!" G. Tersteegen).

Wofür entscheide ich mich, wenn ich mich entscheide, nicht meiner Vernunft und nicht "der Weisheit der Weisen und dem Verstand der Verständigen" (Jesaja 29,14) zu vertrauen, sondern dem Wort Gottes?

1. Ich entscheide mich zu glauben, dass ich nicht in einem chaotischen, vom Zufall beherrschten Kosmos lebe, sondern in einer sinnvollen, nach Gottes weisem Plan geschaffenen und von ihm regierten Welt.

2. Ich entscheide mich zu glauben, dass ich nicht von Affen abstamme, sondern von Gott nach seinem Ebenbild geschaffen bin.

3. Ich entscheide mich zu glauben, dass ich nicht auf einem unbedeutenden Planeten einer unbedeutenden Sonne lebe, die am Rande einer unbedeutenden Galaxis durch einen unendlichen leeren Raum rast, sondern auf der Erde, die der Mittelpunkt von Gottes Welt ist und auf der Gottes Heilsplan Wirklichkeit werden wird.

Und was mache ich mit den empirischen Fakten - mit den Beobachtungen der Astronomen, mit den Saurierknochen und den Urmenschenschädeln? Da ich weder Astronom noch Paläontologe noch Prähistoriker bin, habe ich die Freiheit, unvernünftig zu sein und das alles für Teufelszeug zu halten, mit dem der Böse uns in die Irre führen will - oder einfach für etwas, das mich nichts angeht, das für mein Leben und meinen Glauben keine Rolle spielt.


(Autor: Torsten Hesse)


  Copyright © by Torsten Hesse, www.christliche-themen.de
  Dieser Inhalt darf unter Einhaltung der Copyrightbestimmungen kopiert und weiterverwendet werden