Ungewöhnliche Lesung zur Passion


Pfarrer O. von St. Ferrutius in Bleidenstadt ist zum gelungenen Wagnis der „ungewöhnlichen Lesung zur Passion" zu gratulieren. Das Gedicht von Friedrich Spee klingt an den Leidenspsalm des Messias (Psalm 22) mit dem Ausruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" an.

Das Fazit allerdings, dass die Kreuzigung nicht als Sühne für die Schuld der Menschen zu betrachten sei, wird dem Wirken dieses katholischen Kirchenlieddichters nicht ganz gerecht. So ist für Spee, von dessen zahllosen Liedern auch einige im Evangelischen Gesangbuch stehen, bei aller Betonung der Liebe, aus der Jesus gehandelt hat, auch der Gesichtspunkt des stellvertretenden Opfers wichtig. Das geht etwa aus Vers 2 seines Passionsliedes „O Traurigkeit, o Herzeleid" mit den Worten hervor: „O große Not! Gotts Sohn liegt tot. Am Kreuz ist er gestorben; hat dadurch das Himmelreich uns aus Lieb erworben."

Zur Frage nach den „Verantwortlichen" des Kreuzesleidens darf vielleicht zur Ergänzung ein Vers aus einem Passionslied von Paul Gerhardt herangezogen werden: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer, die haben dir erreget das Elend, das dich schläget, und deiner schweren Martern Heer."

Mit seiner Lesung hat Pfarrer O. - auch dafür ist ihm Dank zu zollen - den Namen des Ordensmannes, der seinerzeit mit seiner Schrift "Cautio Criminalis" mutig dem Wahn der Hexenprozesse entgegentrat, verdienterweise erneut in den öffentlichen Blickpunkt gerückt.

(Aar-Bote, 16. April 2009)


(Autor: Gerhard Nisslmueller)