Die Verlorenen suchen!




Die Pharisäer und Schriftgelehrten hielten sich für sehr gerecht: Sie kannten die Bibel aus dem FF, sie hielten die Gebote sorgsam und mit einer Strenge ein, die wir uns kaum vorstellen können, sie lasen in den Schriften, sie beteten und liessen keinen Gottesdienst aus. Die Sünder mieden sie förmlich wie die Pest.

Jesus dagegen hatte und hat keine Berührungsängste, sondern liess und lässt sich auf Sünder und Verstossene ein: Auf Frauen, selbst auf Ehebrecherinnen und Huren, auf Samariter und Samariterinnen, auf den Hauptmann der Besatzungstruppen, auf die Heiden, auf Fischer und Hirten, die damals wirklich alles andere als gut rochen, ja, selbst auf die Zöllner, jenen Kollaborateuren, die dem eigenen Volk das letzte Hemd nahmen und sich nach allen Regeln der Kunst bereicherten. Als Jesus dann zu Levi ging und ihn berief, da rümpften die Schriftgelehrten und Pharisäer ganz schön die Nase; was liess sich Jesus denn auch mit einem solchen Pack ein?

Heute sind wir da ja viel klüger, uns würde das nicht passieren, wir haben ja begriffen, um was es geht und wissen, dass wir ja selbst Sünder sind, nur aus Gnade gerettet. Sind wir wirklich besser als die Pharisäer und Schriftgelehrten von damals? - Ich bin es nicht! Wie oft ertappe ich mich, dass ich die Nase rümpfe, dass ich Klassen- und Standesunterschiede mache, dass ich mich über Andere stelle.

Dass ich jetzt gerettet bin, so ist dies doch deshalb geschehen, weil Jesus mich zur Buße gerufen hat und ein Christ mir das gesagt hat. Bin ich nicht also auch in der Pflicht, die Verlorenen zu suchen, die Sünder? Und wenn Jesus keine Berührungsängste hat, warum "gönne" ich mir dann einen solchen Luxus, der ohnehin mehr zweifelhaft ist?
Verlorene zu suchen und sie zur Buße zu rufen, ist schwierig, das gebe ich zu, und man braucht Takt, Geschick, Weisheit, Lernbereitschaft und oft auch die Gabe zur Improvisation. Zugleich ist es aber auch spannend, interessant: Langweilig wird es wirklich nicht. Und man lernt viel hinzu. Man begreift, dass Andere oft in etwas hineingerutscht sind, dass Schuld nicht gleich Schuld ist, auch wenn es hier nichts zu beschönigen gibt.

Vor allem: Als Christen leben wir nicht auf einer geschützten Insel unserer mehr oder minder kleinen oder grossen Gemeinde- und Kirchenwelt. Uns geht es nicht wie Robinson Crusoe, der weitab von jeglicher Zivilisation auf einer einsamen Insel lebt und nur für sich Sorge zu tragen hat bis "Freitag" kommt, der zu seinem Freund wird. Wir leben in einer Welt voller Verlorener um uns herum. Warum sollten wir uns also Berührungsängste haben? Fliehen können wir ohnehin nicht.

Auf die Verlorenen zuzugehen, das hat auch sehr viel mit Glaubwürdigkeit zu tun, aber auch mit Nächsten- und Gottesliebe. Sabine Ball, Gründerin der gleichnamigen Stiftung, hat sich in Dresden nicht gescheut, sich um gestrandete Jugendliche zu kümmern, die sonst niemand will. Pfarrer Siegelkow mit seinem Kinder- und Jugendwerk "Die Arche" tut sehr viel für Kinder aus den armen Familien, die wir so gerne als Unterschicht oder als bildungsferne Schichten verurteilen. Heilsarmisten arbeiten in den sozialen Brennpunkten unserer Grossstädte, auf Sankt Pauli in Hamburg genauso wie unter den Obdachlosen, die z. B. in Köln oder Stuttgart stranden. Sie haben begriffen, dass es nicht die Gesunden sind, zu denen wir geschickt sind, sondern zu den Kranken, nicht zu den Gerechten, sondern zu den Sündern.

Tun wir es ihnen gleich, in dem wir solche Organisationen unterstützen oder selbst uns engagieren. Der Möglichkeiten gibt es viele. Nutzen wir sie.


(Autor: Markus Kenn)


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