Gefangene besuchen




Als Besucher in ein Gefängnis hereinzukommen, ist aus Sicherheitsgründen nicht so einfach, und das ist auch gut so. Aber es hat ohnehin kaum jemand das Bedürfnis, in eine Justizvollzugsanstalt die Inhaftierten zu besuchen. Das kann ich verstehen: Insbesondere Gewaltverbrecher sind schliesslich keine besonders sympathischen Zeitgenossen, und bei Manchen ist mir - zugegebenermaßen - auch erheblich wohler, wenn ich weiss, dass sie hinter schwedischen Gardinen sitzen und für lange Zeit nicht hinauskommen.

Doch ins Gefängnis kann man auch unschuldig kommen, selbst wenn es im Allgemeinen eher unwahrscheinlich ist, aber dennoch immer wieder geschieht: Johannes der Täufer kam ins Gefängnis, weil Herodes ihn und seine Predigten fürchtete, und auch Paulus und seine Mitreisenden wurden "eingelocht". Sind wir uns bewusst, wie viele Christen in der Geschichte verfolgt worden sind? Unter heidnischen Herrschern, die ihren Götterhimmel bedroht sahen, kam es genauso vor wie bei den Nationalsozialisten, die letztendlich alles Christliche ausmerzen wollten und bekennende Christen in die Konzentrationslager warfen und oft auch umbrachten, insbesondere, wenn ihr Widerstand gegen Judenverfolgung und anderem Unrecht offensichtlich war. Bischof von Galen als der Löwe von Münster entging seiner Verhaftung nur, weil er mit dem Kreuz aus der Kirche ins Gefängnis gehen wollte, und Dieter Bonhoeffer bezahlte seinen Widerstand mit dem Leben.

Die atheistischen Regimes des ehemaligen Ostblockes - auch in der DDR - verfolgte Christen. Kein Pfarrer, keine Kirchengemeinde, die nicht bespitzelt wurde. Bekennende Christen wurden bedrängt, mit Berufsverboten belegt und waren allerlei Schikanen seitens des Staatsapparrates ausgesetzt. Oft fanden sie sich in den Gefängnissen oder in Sibirien, in Zuchthäusern und Arbeitslagern oder im Gulag wieder.

Auch heute werden viele Glaubensbrüder verfolgt; besonders gravierend sind die Verfolgungen in China, in Nordkorea und in der arabischen Welt. Open Doors setzt sich für diese Glaubensgeschwister ein. Durch unser Engagement dort können wir in gewisser Weise auch die Gefangenen besuchen, bei Christus sein. Unsere Glaubensbrüder bedürfen unseres Gebetes und genauso unseres Engagements.

Gefangene besuchen heisst auch, sich für diejenigen einzusetzen, die wegen ihrer politischen oder weltanschaulichen Überzeugung verfolgt werden. Das hat sehr viel mit derjenigen Freiheit zu tun, die wir dann auch für uns beanspruchen, um frei unseren Glauben und unsere Überzeugungen leben zu können.

Es ist darüber hinaus ebenfalls ein Engagement für jene, die tatsächlich unschuldig im Gefängnis sitzen. In den USA haben Jurastudenten so manchen zum Tode Verurteilten aus dem Gefängnis herausgeholt, weil sie unschuldig gewesen sind, aber keine vernünftige Verteidigung hatten.

Wir dürfen allerdings die Straftäter, die zu Recht Verurteilten nicht vergessen. Manche plagt ihr Gewissen, Andere fragen sich nach dem Sinn ihres Lebens oder denken in der Einsamkeit ihrer Zellen über ihr Leben nach und stellen Fragen. Mancher ehemalige Straftäter wurde zu enem Christen, und auf dem christlichen Büchermarkt ist auch vor Jahren ein Buch erschienen mit dem Titel: "Vom Knast auf die Kanzel". Gerade in den USA ist es erfreulich, dass es relativ viele Strafgefangene gibt, die sich bekehren. Das macht ihre Tat nicht ungeschehen, und sie sollen auch ihre Strafe verbüßen, doch werden sie durch ihre Bekehrung für die Ewigkeit gerettet. Jesus ist ja gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.

Und eine wirkliche Bekehrung eines Straftäters ist auch das beste Rehabilationsprogramm. Wer eine innige Beziehung hat, verliert das Bedürfnis, weiterhin zu betrügen, zu stehlen oder gar Gewalt auszuüben. Deshalb macht auch hier das Besuchen der Gefangenen Sinn.

Sicher: Wir sind nicht alle verwandt, wir sind nicht alle Seelsorger oder Jurastudenten, wir sind in der Regel auch keine Gerichtsreporter, Therapeuten, Sozialarbeiter oder Rechtsbeistände, die hier einfach hereinkommen. Aber wir können ruhig fragen, ob ein Gefängnisseelsorger unsere Unterstützung braucht. Auch das wäre ein "Gefangene besuchen".


(Autor: Markus Kenn)


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