Ein vermeintlicher Widerspruch



Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten in den Schulen und an den Ecken auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. Wenn aber du betest, so gehe in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten öffentlich.

Matthäus 6,5-6 (Luther 1912)

Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Angesicht, auf daß sie vor den Leuten scheinen mit ihrem Fasten. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin. Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht, auf daß du nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher verborgen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten öffentlich.

Matthäus 6,16-18 (Luther 1912)

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Matthäus 5,14-16 (Luther 1912)

Dass man seine Frömmigkeit nicht zur Schau stellen soll, leuchtet mir ein: Entweder man ist wirklich fromm - dann muss man keine Show daraus machen! - oder man ist es nicht; dann aber ist die Frömmigkeit eine Lüge. Genauso ist es mit dem Beten: Im stillen Kämmerlein betet es sich bewusster als wenn man darauf achtet, beim Beten von den Leuten gesehen zu werden. Entweder man konzentriert sich auf Gott oder auf die Menschen. Auch das Almosengeben soll man nicht an die große Glocke hängen, denn es wäre dem, welchem man hilft, sicher peinlich.

Wenn man das aber im Verborgenen tut, wie kann man dann zugleich das Licht der Welt sein? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Entweder es geschieht im Verborgenen oder es geschieht öffentlich! - Deshalb hatte ich mit diesen Bibelstellen zunächst Probleme, aber ich weiß, dass die Bibel sich nicht widersprechen kann, dass also der Sinn woanders liegen muss. Ich bat den Vater um Weisheit und dachte nach.

Dem, welchem ich helfe, weiß von meiner Hilfe, meistens jedenfalls. Sicher: Ich kann einem Bedürftigen einen Geldschein in den Briefkasten werfen und verschwinden. Ich kann einer älteren Dame den Platz anbieten und verschwinden, ohne dass sie meinen Namen erfährt. Ich kann jemanden einen Gefallen tun, ohne dass er mich je kennen lernt. Doch das sind in der Regel die Ausnahmen; im Alltag kennt man mich, und die meisten Dinge spielen sich doch dort ab, wo man mich kennt. Meistens ist man Bekannten gefällig, denen man eine Bitte erfüllt, dem man einen Brief schreibt, für die man einen Gang erledigt, die man, wenn sie am Strassenrand stehen, mitnimmt. Das fällt natürlich auf.

Bei solchen Dingen steht jeder von uns vor der Entscheidung, sich selbst zu beweihräuchern oder sich als Christ zu outen, der Gutes tut, weil er sich von Christus, also von Gott geliebt weiß. Diese guten Werke sind das Licht, das wir leuchten lassen sollen zu der Ehre Gottes. Heilsarmisten predigen nicht nur die Nächstenliebe, sondern gewähren sie: Ihre Armenküchen, die medizinische Versorgung von Obdachlosen, die sich keine Praxisgebühr leisten können, Kleiderkammern und Wärmestuben sind nur einige Beispiele. Wie viele Menschen kamen durch den diakonischen Dienst der Heilsarmee zum Glauben.

Und auch Sabine Ball gründete während ihres Lebens die gleichnamige Stiftung, um gefährdeten Jugendlichen zu helfen. Pfarrer Siegelkow mit seiner Arche hilft vor allem Kindern aus Hartz-IV-Familien bzw. aus Familien mit geringem Einkommen. Weihnachten im Schuhkarton ist eine weitere christliche Initiative, und viele Missionsgesellschaften leisten neben ihrem evangelikalen auch einen sozialen Dienst, manche speziell für bestimmte Bevölkerungsgruppen, andere ganz allgemein, je nachdem. Immer wird dort praktische Nächstenliebe gelebt.

Auch die Karmelmission unterstützt in der islamischen Welt Menschen, die in Not geraten sind: Muslime, die zum Glauben gekommen sind und deshalb von ihren Familien und von der Arbeitsstelle verstoßen wurden, greift man genauso unter die Arme wie den Notleidenden in Pakistan, die Opfer der Flut geworden sind, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch Samaritan Purchase (von Billy Graham, wozu auch Weihnachten im Schuhkarton gehört) finanzierte im ehemaligen Kosovo einem muslimischen Jungen eine dringende Herzoperation in den Staaten, ohne die der Knabe gestorben wäre. Das alles bleibt natürlich nicht "unentdeckt".

In Pakistan fragen viele Muslime, warum ihnen geholfen wird und interessieren sich für Jesus, der Seine Jünger dazu bewegt, so zu handeln. Woanders stellte ein Muslim fest, dass Jesus eine liebenswerte und fürsorgliche Person sein muss, denn er wurde in einem christlichen Krankenhaus liebevoll gepflegt. Muslime bekehrten sich reihenweise auf einer Insel in Fernost - ich weiß leider nicht mehr, auf welcher -, als sie nach einer Naturkatastrophe von US-amerikanischen Christen Hilfe in Form von medizinischer Versorgung, von Kleiderspenden, von Nahrungsmitteln und Aufbauhilfen bekamen.

Wenn wir Gutes tun, dann bleibt es nicht unentdeckt, und die Menschen fragen sich unwillkürlich, warum wir das tun. Dann dürfen wir auf Gott verweisen, der uns mehr liebt als wir uns es je vorstellen können. Wir sollen die Dinge also aus Liebe zu Gott und den Menschen tun, nicht aus Berechnung, nicht als Show, nicht, um selbst gerühmt zu werden. Wir selbst dürfen ruhig verborgen bleiben. Gott sieht, was wir tun und weiß auch, mit welcher und mit wie viel Liebe wir es tun und wird uns das eines Tages lohnen, und zwar mit Zins und Zinsessins


(Autor: Markus Kenn)


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