Feindesliebe




Unsere Familie, also unsere Eltern, unsere Großeltern, unsere Kinder, unsere Enkel, unsere Geschwister und meistens auch unsere Tanten und Onkel lieben wir, unseren Nächsten vielleicht auch, zumindest ein wenig. Vielleicht lieben wir auch Tiere und die Natur, die Berge oder das Meer. Aber unsere Feinde lieben? - Das ist doch ein bisschen viel verlangt, oder?

Nun denn: Feinde machen einem das Leben sehr schwer, und eine Feindschaft entsteht schließlich oft dadurch, dass ein Anderer uns etwas Übles angetan hat. Da sehnen wir uns nach Rache oder zumindest nach Wiedergutmachung. Besonders Menschen, die verfolgt worden sind, verabscheuen ihre Verfolger: Besonders in Diktaturen sind Verfolger hart und brutal. Wer mag diejenigen schon, die einen in der ehemaligen DDR gefoltert haben, nur weil die eigene Meinung nicht in das sozialistische Weltbild passte? Da ist es schwer, den zu lieben, der einen verfolgt.

Doch Gott lässt es sprichwörtlich regnen über Gerechte und Ungerechte, und für Böse geht genauso die Sonne auf wie für die Guten. Gott verzeiht jedem, der zu Ihm kommt in aufrichtiger Reue, mag sein Verbrechen auch noch so schwer sein. Ich jedenfalls bin froh, dass Gott jedem, aber auch wirklich jedem verzeiht, sonst sähe ich selbst am Tage des Gerichtes "ganz schön alt aus".

Sicher: Es ist nicht leicht, seine Feinde zu lieben; selbst Vergebung fällt oft schwer, denn wenn man sich an uns versündigt hat, dann schlägt es Wunden. Auch der Stärkste und Härteste spürt irgendwann mehr als überdeutlich, und niemand ist glücklich damit, Opfer zu sein.

Aber andererseits geben wir dem Täter Macht über uns, und dies umso mehr, je weniger wir vergeben können. Wenn wir unsere Feinde hassen, dann werden wir ihnen ähnlich oder sogar gleich. Manchmal werden wir sogar ärger als sie in unserem Hass, in unserer Rache. Ist es das wirklich wert, dass wir unsere Energien damit vergeuden, indem wir Wunden
mit uns herumschleppen?

Im Kreislauf der Rache wurde oft über Generationen ein Mord mit dem anderen vergolten ohne Hoffnung, dass dieses blutige Unterfangen jemals endet. Wie viel Leid entstand dabei selbst für Unbeteiligte? Dadurch bleiben jene bösen Strukturen bestehen, die Ungerechtigkeit erst möglich machen.

Die Feinde zu lieben durchbricht diesen Kreislauf. Es bedeutet nicht, Schuldige laufen zu lassen und sie nicht mit den Konsequenzen ihres Handelns zu konfrontieren, wohl aber, auf Rache zu verzichten und neue Chancen zu geben. Wer für seine Feinde zu bitten vermag, kann Veränderungen herbeiführen und dafür sorgen, dass der Andere zu Christus kommt. Dann ist er nicht mehr Feind, sondern Glaubensbruder.

Die ersten Christen haben dies oft verstanden: Im alten Rom wurden sie oft verfolgt, doch mancher Verfolger bekehrte sich. Gut, dass die ersten Christen ihren Verfolgern verziehen. Das wohl berühmteste Beispiel ist ja Saulus selbst, der zum Paulus wurde: Der Christenmörder wurde zum Völkerapostel. Hätten die ersten Christen hier auf Rache gesonnen, dann wäre das Evangelium langsamer um die Welt gegangen, und es wären mehr Menschen verloren gegangen als es jetzt schon der Fall ist. Vielleicht wäre ich selbst mit dem Evangelium niemals konfrontiert worden, wenn die ersten Christen der Rache Priorität eingeräumt hätten statt der Feindesliebe. - Alles, was wir tun oder lassen, hat Konsequenzen für Zeit und Ewigkeit.


(Autor: Markus Kenn)


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