Wie denkst Du über Jesus?


Über die Weihnachtsfeiertage 1991 bis zum Neujahrstag 1992 machte ich Urlaub in einem Kapuzinerkloster im Schwarzwald ganz in der Nähe zur Schweizer Grenze. Ich hatte wenige Monate zuvor - nämlich am 3. September 1991 - Jesus als meinen ganz persönlichen Retter und Erlöser angenommen und war deshalb zu neuen Denkweisen und Verhaltensweisen gekommen, die ich nun in aller Ruhe einordnen wollte. Natürlich wollte ich auch noch mehr über Jesus erfahren, und das Kloster erschien mir als richtiger Ort, und ich fragte den damaligen Abt eben dieses Klosters natürlich auch nach Jesus: Für ihn war Jesus irgendwie das kleine Baby, welches wir von den Krippendarstellungen her kennen, ein kleiner Säugling, den es zu schützen gilt. Dieses Bild dürfte sich bei ihm nicht geändert haben.

Das ist vom katholischen Glauben her, in dem ich selbst groß geworden bin, verständlich: In vielen Heiligenhäuschen und in vielen katholischen Kirchen gibt es Marienstatuen mit einem Kleinkind als Jesusdarstellung auf dem Arm. Auch in den so genannten Marienerscheinungen sieht man Jesus immer als das schützenwerte Kleinkind. Oft sieht man auch den leidenden, sterbenden Jesus am Kreuz dargestellt, und man gewinnt so den Eindruck, als sei Jesus niemals auferstanden. Es ist zwar außerordentlich wichtig, an die Passion Jesu zu denken und sich an Sein Leiden zu erinnern, damit man dankbar ist für das, was Er für uns getan hat, nämlich für unsere Sünden zu bezahlen und zu sterben, doch dürfen wir dabei nicht ausblenden, dass Er den Tod überwunden und besiegt hat, sodass wir das Leben in Fülle haben.

Andere sehen in Jesus lediglich einen großartigen Menschen, einen Reformator, vielleicht auch einen Revolutionär, einen großen Lehrer, einen außergewöhnlich Heiligen oder einen hochbegabten Theologen und Philosophen. Für von fernöstlich geprägten Menschen ist Jesus einer von vielen mehr oder minder bedeutenden spirituellen Meister, aber nicht eben der einzige Weg zum Heil. Wieder Andere sehen in Ihm einen von vielen Religionsstiftern, die es im Laufe der Menschheitsgeschichte gab oder einen Propheten.

Alle diese Bilder geben aber keine Antwort auf das, was Jesus ist: Er ist kein menschlicher Prophet, sondern die letztendliche Erfüllung aller Prophezeiungen, angefangen von Moses bis zu Jesaja. Es greift also viel zu kurz, in Jesus nur einen von vielen Propheten zu sehen, die es gegeben hat.

Ebenso ist Jesus kein Religionsstifter: Bei Jesus geht es nicht um Religion, sondern um eine lebendige Gottesbeziehung, die vergleichbar ist mit einer vertrauensvollen Vater-Kind-Beziehung, zu einer brüderlichen und innigen Beziehung zu Jesus Christus. Religionen geben lediglich Vorschriften und Pflichten, machen die Erlösung fälschlicherweise vom eigenen, menschlichen Verhalten abhängig. Jesus aber schenkt die Erlösung durch den Glauben an Ihn und die Annahme von Jesus als ganz persönlichen Erretter, Erlöser und Heiland.

Durch Seine Lehre hat Jesus die Traditionen der Schriftgelehrten und Pharisäer auf den Kopf gestellt: Er zeigte die richtige Setzung der Prioritäten. So hat Jesus niemals die Sabbatruhe aufgehoben, doch Er hat gezeigt, dass es trotzdem erlaubt ist, am Sabbat den Gottesdienst zu zelebrieren, was ja auch eine Form der Arbeit ist. Gleichfalls ist es am Sabbat erlaubt, einen acht Tage alten Knaben zu beschneiden wie es die mosaischen Gesetze vorschreiben oder am Sabbat Ähren zu raufen, um seinen Hunger zu stillen oder am Sabbat Gutes zu tun. Sogesehen kann man Jesus durchaus als Reformator begreifen, doch auch dies greift zu kurz.

Ein hervorragender Lehrer und Philosoph ist Jesus außerdem: Die Evangelien zeigen deutlich, dass Jesus die Menschen dort abgeholt hat, wo sie gerade standen. Das macht Er auch heute noch: Er spricht immer wieder in das Leben der Menschen hinein und findet stets die passenden Worte, seien sie lieblich oder streng oder beides. Und in Seiner göttlichen Natur ist Er zugleich der grösste Philosoph, den es gibt, denn schließlich sind in Ihm alle Schätze der Weisheit verborgen, und Philosophie ist ja die Freundschaft mit der Weisheit.

Ich sehe in Jesus keinen spirituellen Meister, zumindest nicht in einem fernöstlichen Sinn, in dem die Gurus austauschbar sind und man sich die eigenen Glaubenssätze selbst zusammen zimmern kann wie es einem gerade beliebt: Das führt dazu, dass man sich ein Glaubenssystem ohne jede wirkliche Grundlage zurechtbiegt wie es einem gerade passt. Dadurch wird alles austauschbar, beliebig, und selbst wird man unzuverlässig und letztendlich auch unberechenbar. Jesus, der menschgewordene Gott ist der, der immer war, immer ist und immer bleiben wird, fest, stetig und unveränderlich. Das ist auch gut so: Damit haben wir einen Felsen, auf den wir uns stützen und auf den wir uns immer verlassen können. Seine Gebote sind unwandelbar, weil Seine Ethik, Seine Moral unveränderlich ist. Auf Seine Aussagen ist Verlass, denn Jesus ist es niemals um Profit gegangen wie den Gurus, die es sich von den Gaben und der Arbeit ihrer Anhänger gut gehen lassen: So hatte ein indischer Guru 365 (!) Rolls Royse, für jeden Tag im Jahr einen, finanziert von seinen Anhängern, die "seinen Erfolg" bejubelten. Davon abgesehen gehört Jesus in Seiner Göttlichkeit alles.

Gleichwohl ist Jesus der grösste Theologe: Das aber liegt an Seiner göttlichen Natur, und wer kennt Gott am Besten als Gott selbst? Deshalb kann Jesus uns auch Gott am Besten erklären, Seinen Willen genauso wie die göttliche Natur. Als großer Lehrer, der Er ebenfalls ist, findet Er stets die passenden Worte und Beispiele, um unsere Erkenntnis von Ihm zu vertiefen und zu erweitern.

Auch ich mache mir bewusst, dass Jesus Seine Göttlichkeit, Seine Allmacht und Seinen Luxus im Himmel eingetauscht hat gegen die Hilflosigkeit eines Säuglings. Zugleich hat Er Seinen ganzen himmlischen Reichtum eingetauscht in die Armut einer Familie, die keine Herberge fand. Schließlich ist das ein großer sozialer Abstieg, der grösste sogar, den es geben kann. Dieses zeigt Seine Liebe zu mir, zu Dir, zu Euch, zu Jedem von uns. Doch Ihn als den ewigen Säugling zu sehen, der beschützt werden muss, ist ein eklatanter Fehler: Jesus ist schließlich Gott und damit allmächtig. Nicht Er braucht unseren Schutz, sondern wir den Seinen, damit wir im Kampf gegen die unsichtbaren Mächte der Finsternis nicht verlieren und nicht vom Bösen überwunden werden.

Wie eingangs schon gesagt, sollen wir uns verdeutlichen, wie sehr Jesus für uns in Seiner Passion gelitten hat: Für uns ließ Er sich verrraten, für uns durchwachte Er in Todesangst eine ganze Nacht im Garten Gethsemane, für uns schwitzte Er in dieser Todesangst im buchstäblichsten und damit im wahrsten Sinne des Wortes Blut und Wasser, für uns ließ Er sich verhaften wie ein Schwerstkrimineller, obwohl Er frei ist von jeder Sünde, für uns ließ Er sich demütigen, verleumden, bespucken, verspotten, schlagen und auspeitschen, für uns schleppte Er das schwere Kreuz, für uns starb Er den qualvollsten aller Tode. Das Gedenken an Seine Passion sollte uns nicht nur während der Kartage und nicht nur am Karfreitag bewusst sein, sondern beständig, damit wir in Dankbarkeit und Liebe zu Ihm Seine sehr guten und vollkommenen Gebote einhalten. Genausowenig dürfen wir aber vergessen, dass Jesus den Tod überwunden hat: Als Er die Geister im Gefängnis - diejenigen, die vor Seinem Opfertod gestorben sind - befreite, übergab der Teufel Jesus die Schlüssel zur Hölle. Das zeigt, dass Jesus Tod und Teufel besiegt hat, dass Er die Macht über die Finsternis besitzt und wir uns nicht vor den Dämonen fürchten müssen. Jesu Sieg ist unser Schutz vor Tod und Teufel.

Deshalb sehe ich in Jesus den Retter, der Er ist, den Todesbezwinger. Weil Er der Schöpfer aller Dinge, auch der Schöpfer meines Lebens ist, gehört Ihm mein Leben. Er bestimmt, und das ist gut so: Schließlich weiß Er alles und damit auch, was gut für mich ist. Als König aller Könige ist Er ohnehin der höchste Herrscher.

Natürlich bleibt mein Wissen über Jesus Stückwerk, doch ich bete zu Ihm, ich bete Ihn an, ich lese Sein Wort. Damit erfahre ich immer mehr von Ihm und lerne so immer mehr von Ihm, was meine Liebe zu Ihm steigert. Und ich bin froh, dass Er mich errettet hat und ich eines Tages in Seinem Reich Sein werde.


(Autor: Markus Kenn)


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