Der eine trage des anderen Last



Es gibt zwei Aspekte des "Geringen" in der Bibel:
1. den Geringen allgemein: den Armen, Bedürftigen;
2. den geringen Bruder: den Jünger, den Geringen vor Gott (der auch Mangel leiden kann).

Überall gibt es Armut, auch wenn unsere Gesellschaft sie zu verstecken sucht: An Straßenecken treten einem verwahrloste Menschen entgegen, die mit oder ohne eigene Schuld im Existenzminimum gelandet sind. Armut ist Wirklichkeit und wird in der Bibel als solche beschrieben, und zwar in differenzierter Weise: Es gibt Armut als Folge von Sünde, etwa von Faulheit oder Verschwendungssucht (Sprüche 6,9-11; 21,17). Und es gibt Armut, die von Gott verordnet ist (1. Samuel 2,7). Armut ist nun einmal da. Entscheidend ist, wie diejenigen, denen es äußerlich besser geht, darauf reagieren: Sollen sie die, die arm sind, noch ärmer machen, ausnutzen, ausbeuten, "bedrücken"? Oder...

Ja, was sollen sie tun? Zunächst sollten wir bedenken, dass uns die Bibel etwas ganz Überraschendes, vielleicht Schockierendes sagt: "Wer den Geringen bedrückt, beschimpft den, der ihn geschaffen hat." Das heißt: Im Armen begegnet uns ein Mensch nach dem Ebenbild Gottes. Der, der äußerlich gering scheint, ist vor Gott etwas wert. Wer den Geringen bedrückt, beschimpft deshalb Gott, lästert das Ebenbild Gottes und verletzt das zentrale Gebot: "Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst!"

Deshalb nochmals die Frage: Was sollen wir tun? - Lukas 6,36 sagt uns: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!" Das heißt konkret: Helft, wo ihr Not seht! Schafft den Schwachen Recht! Füllt aus eurer Fülle die leeren Hände des Armen! Gott verwirft dabei weder den Reichtum grundsätzlich als Sünde (außer wenn er dem Kontakt zu Gott im Weg steht und wenn der Reiche den Armen ausbeutet oder vergisst) noch verherrlicht Er die Armut. Nein, Er will nur, dass es keinem von Seinen Geschöpfen schlecht geht. Wo ein Geschöpf durch unsere Schuld leidet, wird Gott verunehrt. Statt dessen sollen wir einander lieben.

In besonderer Weise gilt das für Jesu Jünger. Sie sind herausgerufen in das neue Leben mit Gott und damit Abglanz des göttlichen Lichtes ("Ihr seid das Licht der Welt"; Matthäus 5,14). Ihnen sagt Jesus: "Was ihr getan habt einem unter diesen Meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir getan" (Matthäus 25,40). Leidet eines der Glieder der Gemeinde Not, so leiden alle Glieder mit (1.Korinther 12,26). Deshalb gilt es, in brüderlicher, dienender Liebe füreinander da zu sein und den anderen höher zu achten als sich selbst. So lasst uns wachsam sein, um auch heute zu erkennen, wo eine Not vorliegt und wir konkret einem Bedürftigen helfen können. Gott schenke uns dazu die Mittel und die Kraft. Wir dürfen uns in Seiner Hand getragen wissen.

Der eine trage des anderen Last.
Manchmal ist die Last der andere.
Der eine trägt den anderen und seine Last.

In der Ungeborgenheit der Todesnähe
wird die bergende Hand des Verborgenen offenbar.

Deine Hände sind wie dürres Gras.
Doch die Liebe lässt sie erblühen.

Lieber nahe nah sein als ferne fern sein.
Aber lieber ferne nah sein als nahe fern sein.
Der ganz Ferne kam uns ganz nah.


(Autor: Lothar Gassmann)


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