Über die geistliche Armut


In Matthäus 5,3 lesen wir: "Glückselig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel!"; es ist ein Bibelvers, der oft falsch verstanden und somit fehlinterpretiert wird: Ich selbst dachte lange Zeit, es ginge um Menschen, die in geistiger Hinsicht arm sind, an Menschen also, die intellektuell nicht ganz so begabt sind wie der Durchschnitt, an Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen also, doch das ist hier nicht gemeint.

Auch die Neue-Welt-Übersetzung der Wachtturmgesellschaft (Zeugen Jehovas) verfehlt das Thema: Dort heißt es: "Selig sind, die ihrer geistlichen Bedürfnisse bewusst sind!" - Ihrer geistlichen Bedürfnisse sind viele bewusst, doch damit sind sie noch lange nicht selig. Es ist so ähnlich wie bei Suchtkranken, die sich oft durchaus sehr bewusst sind, dass sie eine Therapie brauchen, wenn sie nicht an ihrer Sucht sterben wollen, doch der Schritt in Richtung der professionellen Hilfe bleibt dann doch aus oder wird allzu früh seitens der betreffenden Patienten abgebrochen. So ist es auch mit den geistlichen Bedürfnissen: Mir selbst war lange klar, dass ich Jesus als Retter brauchte, doch bis ich den Schritt tat, vergingen mehrere Jahre. Und andere bekehren sich nie, obwohl sie wissen, dass sie ohne Jesus verloren gehen. Das Bewusstsein der geistlichen Bedürfnisse allein genügt also nicht, um gerettet zu werden.

Wir dürfen uns auch nicht auf unsere Gelehrsamkeit verlassen: Nicht unsere theologischen Kompetenzen machen uns glückselig und auch keine philosophischen Doktorgrade: Die Schriftgelehrten und Pharisäer wussten selbst haargenau, dass der verheißene Messias in Bethlehem geboren würde, und als die Weisen aus dem Morgenlande nach dem König der Juden fragten, waren eben diese Pharisäer und Schriftgelehrten nicht verwundert über die Frage des Herodes, wo nun der Heiland geboren werden würde: Sie wussten nur zu gut, dass die Zeit erfüllt war: Dennoch wurden nur Wenige der geistlichen Elite des damaligen Judentums gerettet, weil sie sich - trotz ihres geistlichen Reichtums - nicht zu Jesus als ihren ganz persönlichen Erretter, Erlöser und Heiland bekehrten.

Es genügt also nicht, die Bibel aus dem EF EF zu kennen: Es gibt nicht wenige Atheisten, die das Buch der Bücher besser kennen als die Christen, obwohl es eigentlich umgekehrt sein müsste. Sogar Bertolt Brecht, der als Kommunist zugleich auch Atheist war, antwortete auf die Frage, welches Buch sein liebstes sei: "Sie werden lachen: Die Bibel!" Nein, wir dürfen uns nicht ob unserer Schriftkenntnis - so gut sie auch sein mag - rühmen, und wir dürfen uns auch nicht darauf verlassen, dass wir die wichtigsten Bibelkommentare kennen und verstehen, sondern müssen vor Gott kommen und eingestehen, dass wir geistlich arm sind.

Was haben wir denn in den Händen, was wir Ihm darbringen können außer unserer Sündenschuld? - Im Grunde wissen wir, dass wir in der Finsternis wandeln, solange Jesus nicht unser ganz persönlicher Heiland ist. Wer sich auf seine Geistlichkeit beruft, ist leider nicht sonderlich fromm, zumindest nicht im Sinne der Bibel, sondern stürzt sich auf die Religion. Aber bei Gott geht es nicht darum, besonders religiös zu sein und bestimmte Pflichten zu erfüllen, nur weil sie vorgeschrieben sind. Gott will keine blinde Pflichterfüllung, die ohnehin nur lieblos und ohne jede Begeisterung dargebracht wird; daraus resultiert allenfalls ein spießiges Kleinbürgertum, das äußerlich korrekt ist, aber deren Herzen leer und ohne Leben sind.

Das Eingeständnis der geistlichen Armut hingegen macht uns bewusst, wie wenig wir eigentlich über die Heiligkeit und Majestät Gottes wissen, wie sehr wir auf Seine Führung angewiesen sind und wie nötig wir Seine Belehrungen haben. Ja, wir Menschen haben uns selbst Weisheit geschaffen. Die Summe der griechischen Philosophen, der chinesischen Weisen, des deutschen Dichterwaldes allein ist kaum zu übersehen; hinzu kommen die großartigen Geistesleistungen anderer Völker und Kulturen, und doch sind wir Menschen nicht in der Lage, auch nur den Schnupfen zu besiegen oder die richtigen Konsequenzen aus den Kriegen zu ziehen, die es in der Menschheitsgeschichte gab, gibt und noch geben wird. Ohne Gott sind wir auf dem Holzweg: Selbst zwanzig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist der ehemalige Ostblock immer noch nicht auf dem Damm: Seine atheistischen Regimes haben die Staaten heruntergewirtschaftet. Bei einem Urlaub in Bulgarien im Jahre 2000 sah ich, wieviel Not es dort gab. Kluge und großartige Menschen fristeten ein kärgliches Dasein und tun dies heute meist immer noch. Die Not in Rumänien schlägt dabei wohl viele Rekorde.

Wir müssen vor Gott kommen und unser Scheitern eingestehen, wir müssen Ihm sagen, dass wir ohne Ihn nichts zu tun vermögen und wir Ihn brauchen, vor allem, wenn es um geistliche Führung geht. Nicht die fernöstlichen Heilslehren und Gurus sind es, die uns Rettung und Erleuchtung bringen, sondern allein Jesus. Wenn wir das anerkennen und eine lebendige Beziehung zu Jesus aufbauen, dann werden wir Weisheit erlangen, wie sie die Welt nicht kennt, unserer geistlichen Armut zum Trotz. Diese lebendige Beziehung ist zwar zunächst erschütternd und erschreckend, weil es unseren Stolz, unser Ego zerrüttet, und doch ist sie die einzige zukunftsträchtige Erkenntnis, worauf wir unser Lebenshaus aufzubauen vermögen, wenn es nicht einstürzen soll. Ohne Gott führen alle Friedensverhandlungen und Abrüstungsgespräche letztendlich nur doch wieder in den Krieg. Selbst Programme zur Bekämpfung von Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit führen zu nichts, wenn wir unsere geistliche Armut nicht Gott eingestehen und uns deshalb Seiner guten und vollkommenen Führung anvertrauen.

Gott macht da keine Vorwürfe, Er rümpft nicht die Nase, Er erhebt nicht den Zeigefinger, Er schimpft nicht mit uns, Er macht uns nicht runter, Er lässt uns nicht sitzen, Er verteilt keine Fünfen und Sechsen, Er lässt uns nicht Nachsitzen, sondern Er gibt uns gerne und reichlich Seine Weisheit. Dadurch werden wir gelassen und finden unseren inneren Frieden. Unsere Ängste lösen sich unter Seiner Führung. Wer vor Gott seine geistliche Armut eingesteht, wird überreich durch Ihn beschenkt und weise werden. Versuchen Sie es!


(Autor: Markus Kenn)


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