Ich habe keinen Menschen



Dieser Schrei des Gelähmten vom Teich Bethesda gellt heute lauter denn je durch unser Land. Nicht nur ältere Menschen sind einsam, wenn nach und nach alle Freunde wegsterben und die Nachkommen sie häufig in Heime abschieben. Auch bei Jüngeren breiten sich Einsamkeit, Trauer und Verletzungen - zum Beispiel infolge einer Flut von Trennungen und Scheidungen, auch in christlichen Kreisen - aus.

Auch ich musste es aufgrund von Schicksalsschlägen im Leben immer wieder lernen, mit Einsamkeit zurechtzukommen. Das ging nicht von heute auf morgen, sondern erforderte einen langen Prozess. Nachfolgend nenne ich 8 Punkte, die mir in solchen Situationen wichtig geworden sind:

1. Zuerst denke ich, ich muss verzweifeln. Aber ich muss nicht verzweifeln, denn als Christ weiß ich: Ich bin nicht allein. Jesus ist bei mir.
2. Das kann ich aus eigener Kraft nicht ohne weiteres erkennen. Es braucht die Nähe eines Seelsorgers und lieber Freunde, die mir das immer wieder zusprechen und mir die Nähe Jesu durch ihr Da-Sein vermitteln.
3. Indem ich an Jesus und Seine Gegenwart glaube, beginne ich, wieder etwas mit Ihm zu erleben. Er offenbart sich mir in konkreten Führungen und Begegnungen.
4. Wichtig ist auch, dass ich mich von mir aus nicht von Menschen zurückziehe. Vielmehr suche ich Gemeinschaft mit Menschen in meiner Umgebung, insbesondere auch mit Christen.
5. Durch die Begegnung mit anderen lerne ich es, ein Stück weit von mir und meinen eigenen Problemen wegzuschauen und auch die Nöte und Sorgen anderer zu verstehen. Als Christen tragen wir uns - z.B. im Hauskreis - gegenseitig im Gebet. Das gibt mir besonders viel Kraft.
6. Überhaupt erlebe ich, dass da, wo die leiblichen Verwandten durch Tod oder schmerzliche Trennungen immer weniger geworden sind, mir die Gemeinschaft mit Freunden und Christen ein Trost und eine wichtige Hilfe ist.
7. Ich mache das Beste aus meiner Einsamkeit und nutze ihre Vorteile, z.B. zum Bibellesen und Beten, zum produktiven Arbeiten und dazu, mich um Menschen zu kümmern, die zum Teil noch einsamer sind als ich. Und plötzlich merken wir: Wir sind gar nicht mehr einsam!
8. Vor allem aber nutze ich die Einsamkeit und Stille, um über mich und mein Leben nachzudenken, Stärken und Schwächen zu betrachten, Sünde zu erkennen und zu bekennen und Gott an der Heilung meiner Wunden und meiner geistlichen Reifung arbeiten zu lassen.

In allem erlebe ich die Wahrheit folgender Aussagen des Wortes Gottes: "Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben" (Psalm 34,19). Und: "Gott ist treu, der euch nicht über eure Kraft versuchen lässt, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr es ertragen könnt" (1. Korinther 10,13).

Einsamkeit ist wie ein finsteres Tal.
Du musst hindurch! Des Weges Pein dich zeiht:
Hindurch! Hindurch! Und überall
des langen Suchens Qual.

Einsamkeit ist wie ein Todesstoß.
Wenn noch dazu Verachtetsein sich reiht,
dann, dann bist du die Freunde los
und aller Freuden bloß.

Einsamkeit ist auch ein Schöpferquell.
Du bist allein. Der Weisheit Keim gedeiht
im Herzen rein. Entdeck` ihn schnell,
damit er leuchtet hell!


(Autor: Lothar Gassmann)


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