Der HERR sieht vom Himmel auf die Erde


"Der HERR sieht vom Himmel auf die Erde, dass Er das Seufzen der Gefangenen höre und losmache die Kinder des Todes."

Psalm 102,20 f.

"Droben überm Sternenzelt muss ein guter Vater wohnen", heißt es in Schillers Ode "An die Freude". So denken viele Menschen. Sie sagen: "Gott ist ein ferner Gott, irgendwo weit weg im Himmel." So denken auch Philosophen des französischen Existentialismus. Sie behaupten: Gott hat die Welt möglicherweise zwar geschaffen; dann aber hat er sie im Stich gelassen und sich zur Ruhe gesetzt. Gott als „Pensionär“!

Was aber sagt die Bibel? "Der HERR sieht vom Himmel auf die Erde." Gott thront zwar im Himmel und die Erde ist der Schemel Seiner Füße, aber Er sieht herab. Er sieht uns, überall, zu jeder Zeit. Mehr noch: Er ist unter uns gegenwärtig durch Seinen Heiligen Geist.

Jetzt könnte vielleicht der Einwand vom "großen Aufpasser" kommen, vom „Tyrannen-Gott“, der alles bewacht und uns die kostbare Freiheit raubt. Aber wie schaut Gott auf die Erde? Im Licht Seiner Gnade! Diese Gnade leuchtet in die hintersten Ecken unseres Lebens. Sie leuchtet so hell, dass sie das Schreien der Gefangenen aufspürt und das Dunkel des Todes überwindet. "Das Licht leuchtet in der Finsternis" (Johannes 1,5).

Gott sieht zuallererst die Gefangenen, Elenden, Bedrückten und Unterdrückten, die Kinder des Todes. Zugleich aber sieht Er die Übeltäter, Gottlosen und Frevler. Liebend, heilend, fürsorgend kann Sein Blick sein, aber auch tadelnd und strafend. Letzten Endes will Gott unser Heil. Die Frage ist, ob wir es annehmen.

"Gefangene"! - Damit sind in Psalm 102 nicht Straftäter gemeint, sondern zunächst die gefangenen Israeliten im babylonischen Exil. Fern von Zion, fern vom Tempel sind sie wie Todgeweihte. Aus solcher Not kann nur Gott retten. Gefangene sind aber auch wir. Auch uns kann nur Gott retten, und zwar aus dem Gefängnis unserer Schuld, unserer Gottesferne, unserer Begierden, unseres Egoismus. Die Voraussetzung hierfür ist das inständige, aufrichtige Gebet zu Gott.

Die Bibel zeigt Beispiele für solches Gebet und seine Erhörung: Das Volk Israel flehte um Rückkehr aus dem Exil und Wiederherstellung des Tempels - und beides traf ein. Der Apostel Petrus war im Gefängnis, die Gemeinde betete ohne Aufhören für seine Freilassung - und auf wunderbare Weise kam er frei (Apostelgeschichte 12,1 ff.). Der ganze Psalter besteht aus Gebeten und Aufforderungen zum Lobpreis Gottes.

Gebet ist die angemessene Kontaktaufnahme, der "heiße Draht" zu Gott, der vom Himmel her alles sieht. Wenn wir beten, sind wir plötzlich nicht mehr vom Gefühl erdrückt, hilflose Marionetten in der Hand eines allwissenden "Allvaters" zu sein und damit ohne Freiheit zu leben. Nein, wir treten in ein Vertrauensverhältnis zu Gott. Der Gott der Ferne, der über den Wolken thront, wird zum Du, zum ansprechbaren Vater - in der Nähe. Wir haben keine Angst mehr vor Seinem Blick. Wir sind im Gegenteil jetzt dankbar, dass Er uns nicht hilflos uns selber überlässt, sondern uns tadelnd und korrigierend bei der Hand nimmt und als Seine Kinder schützend führt. Wir erkennen den fern geglaubten Gott als Gott der Liebe, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat.

Wir beten:
Danke, allmächtiger Gott, dass Du alles weißt. Danke, dass Du mich bewachst und bewahrst. Bitte führe mich auch an diesem Tag, dass Dir mein Tun und Leben gefalle und der Feind keine Macht an mir finde. Amen.


(Autor: Lothar Gassmann)


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