Du sollst nicht töten



Heute wird neu die Diskussion über den sogenannten "Gnadentod" ("Euthanasie") geführt. Schon seit sehr langer Zeit wurden bei nomadischen Völkern altersschwache und schwerkranke Menschen ausgesetzt. Im antiken Griechenland bemaß das "eugenische Programm" Platons den Wert des Einzelnen an seinem Nutzen für Staat und Gesellschaft. Sieche ließ man sterben. Die Philosophenschule der Stoa in der Römerzeit betonte - ähnlich wie später die Philosophen David Hume, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Nietzsche - die „individuelle Freiheit zur Selbsttötung“. Weil es für Nietzsche weder Gott noch ein Jenseits gab, erklärte er den Menschen selber zum Herrn über Leben und Tod.

Nietzsches Unterscheidung zwischen werthaftem und wertlosem Leben - je nach dem, ob der Mensch die freie Bestimmung über sich selbst wahrnehmen kann oder nicht - erfuhr eine weitere Radikalisierung durch die Lehre des Sozialdarwinismus“. Der Evolutionist Ernst Haeckel hatte Charles Darwins Vorstellung vom Kampf ums Dasein und der Auslese der Schwachen zum angeblich wissenschaftlich begründeten Modell gesellschaftlicher Entwicklungen und Beziehungen erhoben. Daraus wiederum leitete die natio-nalsozialistische Ideologie das „Recht des Stärkeren“ sowie die „Berechtigung“ zur Ausmerzung des Schwachen ab. Der „Tö-tung auf Verlangen“ folgte bald die Tötung ohne Verlangen, die in der "Aktion Gnadentod" nicht nur Behinderte, sondern auch andere missliebige Personen (insgesamt 200.000 bis 300.000 Menschen) einschloss.

Im christlichen Sinn dagegen kann weder der starke Mensch verherrlicht werden - ihm stehen der leidende Gottesknecht (Jesaja 53) und das Kreuz Christi entgegen - noch können Krankheit und Leiden glorifiziert werden - das Kreuz Christi bedeutet ja den Kampf gegen Sünde und Elend. Es macht einen grundsätzlichen ethischen Unterschied aus, ob wir die Krankheit bekämpfen, um die Person zu schützen, oder ob wir mit dem Kampf gegen die Krankheit auch das Leben der Person zerstören oder gar direkt das Leben beenden. Die ethische Beurteilung der Sterbehilfe erfordert eine mehrfache Differenzierung in:

1. die (ethisch unproblematische) Hilfe im Sterben, also seelsorgerlichen und medizinischen Sterbebeistand, z.B. zur Schmerzlinderung;
2. die (ethisch problematische) Frage, ob auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet werden soll (indirekte, passive Sterbehilfe);
3. die (ethisch sehr problematische) Tötung, also bewusste und gezielte Lebensverkürzung (direkte, aktive Sterbehilfe).

Künstliche lebensverlängernde Maßnahmen sind nur dann zu rechtfertigen, wenn dem Menschen dadurch nicht mehr Schaden als Nutzen zugefügt wird, d.h. wenn ein unheilbares und mit unerträglichen Schmerzen verbundenes Leiden nicht unnötig verlängert wird. Die Entscheidung über den Einsatz oder Nichteinsatz lebensverlängernder Maßnahmen muss in erster Linie dem Patienten überlassen werden, aber stets im Bewusstsein, dass sein Leben eine von Gott verliehene Gabe ist. Ein Abschalten künstlich lebensverlängernder medizinischer Geräte ist also von Gottes Wort und Gebot her möglich, insofern es ein Sterben gemäß dem natürlichen Ablauf ermöglicht.

Anders verhält es sich mit einer aktiven Tötung, etwa durch Verabreichung einer Giftspritze. Dieses steht im Widerspruch zu Gottes Gebot "Du sollst nicht töten". Anstelle einer Tötung ist auf jeden Fall eine Bekämpfung der Schmerzen vorzuziehen, die es dem Patienten ermöglicht, sein Leiden zu ertragen und das natürliche, von Gott gesetzte Ende seines irdischen Lebens zu erwarten. Gott leite Politiker, Ärzte und Angehörige kranker Menschen, damit sie ganz neu nach Seinem Willen fragen!


(Autor: Lothar Gassmann)


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