Über die Scham


"Niemand soll seines Vaters Frau nehmen und aufdecken seines Vaters Decke."

5. Mose 23, 1

"Die Söhne Noahs, die aus der Arche gingen, sind diese: Sem, Ham und Jafet. Ham aber ist der Vater Kanaans....

1. Mose 9, 18-29

Die Bildzeitung hat am 8. März 2012 - also an dem diesjährigen Weltfrauentag - getitelt, dass sie zum letzten Mal auf Seite 1 eine fast gar nicht bekleidete Frau darstellen. Das ist eine gute Nachricht, denn solche Bilder sind eigentlich schamlos; trotzdem gehören sie zu unserem Alltag: Man kann an keinem Kiosk, in keine Schreibwarenhandlung, an keinen Zeitungs- und Zeitschriftenstand gehen, an dem solche Bilder zu sehen sind.

Es wird sich heutzutage zwar ungeheuer aufgeregt, wenn man in der Werbung klassische Rollenbilder zeigt, in denen die Frau kochend in der Küche steht oder den Haushalt besorgt, während der Mann heimwerkert, aber die Tatsache, dass solche Bilder Frauen zu einem billigen Sexualobjekt abqualifizieren, wird übergangen. Die Schamgrenzen sind einfach verloren gegangen.

Das wird auch deutlich an der Tatsache, dass in den 1950iger Jahren der Spielfilm "Die Sünderin" mit Hildegard Knef für einen Skandal sorgte, weil man für den Bruchteil einer Sekunde in einer Szene etwas zu viel "Fleisch" sah. Vor einigen Monaten warb der Schuhversand Zalando mit nackten Menschen vom FKK-Club: Es gab keinen Protest.

Zu Noahs Zeiten war das noch anders: Während Ham die Blöße seines Vaters sah und seinen Brüdern davon erzählte, ergriffen sie - Sem und Jafet - ein Kleid, gingen rückwärts in das Zelt des Vaters und bedeckten dessen Blöße. Noah verfluchte seinen Sohn Ham, und die Kanaaniter, dessen Stammvater Ham ist, wurde zu Dienern der anderen beiden.

Schamgefühl ist nichts lust- oder körperfeindliches, sondern eine Frage des Anstandes: Scham bringt Sexualität nämlich dorthin, wo sie hingehört, nämlich in die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, die miteinander verheiratet sind. Dort ist Sexualität etwas wirklich Schönes, das man einander als intimsten und tiefsten Akt der Liebe schenkt und damit bekundet, dass man zusammen gehört, dass man ein Fleisch geworden ist. Deshalb wird der Mann seine Frau achten und umgekehrt.

Durch Scham werden Frauen nicht zu billigen Sexualobjekten abqualifiziert, die gefälligst gefügig zu sein haben, weil die entsprechende Scham die Grundlage für Anstand und Ritterlichkeit ist. Auf dieser Basis werden Frauen als das respektiert, was sie ja auch sind: Vollwertige Menschen.
Wo Schamgrenzen fallen, gehen am Ende auch jegliche Moral und Ethik verloren: In früheren Zeiten war der Handschlag verbindlich, war ein mündlicher Vertrag und ein gegebenes Wort genauso sicher wie eine geschriebene Zusage. Man hätte sich geschämt zu lügen oder einen Vertrag nicht einzuhalten. Dem Handwerker verbot es die Scham, Pfusch abzuliefern; in aller Regel stand ja sein Zeichen auf einem bestimmten Produkt.

In meiner Kindheit hätten wir uns geschämt, wenn wir einen Schwächeren einfach so verprügelt hätten; unsere Scham verbot es uns, weiter auf jemanden einzuprügeln, der aufgegeben oder verloren hatte. Wir hätten uns in Grund und Boden geschämt, wenn wir bei Älteren Leuten sitzen geblieben wären, und unser Schamgefühl verbot es uns, dass ein jemand anders für das bestraft worden wäre, was wir "ausgefressen" hatten.

Sicher: Man muss sich nicht schämen, weil man krank ist oder behindert, und Eltern, die sich für ihr behindertes Kind schämen, haben Vieles nicht verstanden. Man muss sich nicht schämen, wenn etwas nicht klappt oder geklappt hat, wenn man sich redlich bemüht hat und bemüht. Eine solche Scham ist ja auch keine echte Scham, sondern hat vielmehr mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun.

Vielmehr ist echte Scham eine Hilfe für Anstand und Ritterlichkeit: Der Schamhafte und Anständige bedarf keiner wie auch immer gearteten pornografischen Veröffentlichungen, er wird im Anderen kein Sexualobjekt sehen, sondern den Menschen, den es zu respektieren gilt. Der Schamhafte und Anständige steht für die eigenen Fehler ein, auch wenn er dabei "vor Scham versinkt", er hat also Mut, Tapferkeit und Geradlinigkeit. Und er ist ritterlich, sodass er Hilfsbedürftigen beisteht insoweit er es kann.


(Autor: Markus Kenn)


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