Gott sieht das Herz



Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch wiederum gemessen werden. Was siehst du auf den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, nimmst aber den Balken in deinem Auge nicht wahr? Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: ‘Lass mich den Splitter aus deinem Auge entfernen’, und – siehe! – der Balken ist in deinem Auge? Heuchler! Entferne zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klare Sicht haben, den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu entfernen.

Matthäus 7, 1-5
Üsg.: Thomas Jettel u. Herbert Jantzen

Wir Menschen sind sehr schnell mit unserem Urteil; so entscheidet sich in den ersten drei Sekunden, ob uns unser Gegenüber sympathisch ist oder nicht, und für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Das ist auch das große Manko bei Vorstellungsgesprächen: Ist man dem potentiellen Arbeitgeber unsympathisch - und sei es nur, weil die Farbe des Hemdes oder die Musterung der Krawatte nicht gefällt -, dann hat man verloren.

Und wir rümpfen schnell die Nase über Langzeitarbeitslose, über Obdachlose, über jemanden, der in eine Suchtkrankheit abgeglitten ist. Kommt jemand in schmutziger Kleidung daher - und sei es, dass er erkennbar von einer entsprechenden Arbeit kommt und sich nicht umziehen konnte -, dann ist ein negatives Urteil meistens schon gefällt. Auch die schlechte Laune oder die Unhöflichkeit eines Anderen bekommen wir sehr schnell mit. Wir sehen aber nur das Ergebnis, nicht den Weg dorthin. Was wissen wir, warum jemand obdachlos oder zu einem Trinker geworden ist? Wie kommen wir dazu, uns das Recht heraus zu nehmen, über einen Langzeitarbeitslosen zu urteilen ohne zu wissen, wie oft er sich schon beworben hat und wie oft er sich immer noch bewirbt? Ist schmutzige Kleidung wirklich der Beweis, dass sich ein Anderer gehen lässt oder gar selbst einen schmutzigen, unordentlichen Charakter hat?

Natürlich soll sich niemand gehen lassen: Disziplin, Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle sind schließlich Tugenden, die uns weiter helfen. Aber wir sollen auch nicht vorschnell den Stab über einen Anderen brechen. Es ist unfair, nach Äußerlichkeiten zu urteilen; nur weil uns die Nase nicht passt, heißt das noch lange nicht, dass der Andere ein unmöglicher Mensch ist. Und wenn wir sehen, dass jemand dies oder jenes tut, dann müssen wir auch die Gründe sehen, warum er dies macht. Vor Gerichten ist es ja auch üblich, dass Richter, Staatsanwälte und Ermittlungsbehörden danach sehen, welche Motive der Täter hatte: Ein Diebstahl aus Hunger ist anders zu bewerten als ein Diebstahl aus Habgier. Wenn ich mein Gegenüber k. o. schlage, dann ist es ein Unterschied, ob ich dies aus purer Liebe zur Gewalt tue oder ob es reine Notwehr ist.

Deshalb ist es gut, dass Gott auf unsere Herzen sieht: Er weiß, warum wir eine Sache tun, Er weiß, ob wir nach besten Wissen und Gewissen handeln, und Er weiß, ob wir bereit sind, uns von Ihm verändern zu lassen und von Ihm zu lernen. Gott fragt dabei nicht, ob wir angesehen sind oder ausgestoßen, ob wir arm sind oder reich, groß oder klein, dick oder dünn, beliebt oder verhasst. Wir mögen schön aussehen oder hässlich sein: Das ist in Gottes Wertung ohne Bedeutung. Wenn wir aus Liebe zu Ihm und den Menschen handeln, dann freut Ihn das, dann führt Er uns und gibt Seinen Segen ob aller unserer Begrenzungen.

Es ist zugleich eine Aufforderung an uns: Nicht die Äußerlichkeiten sind entscheidend, sondern die inneren Werte, von denen wir ja immer wieder gern und viel reden. Nicht das hübsche Gesicht, nicht die edlen Hautcremes, nicht die luxuriösen Düfte, nicht das herrliche Rasierwasser, nicht der große und gerade Wuchs machen einen Menschen wirklich schön: Wahre Schönheit kommt von innen, auch wenn diese Binsenweisheit allzu oft nur noch ironisch gebraucht wird. Machen wir es wie Gott: Schauen wir auf die Herzen. Dann wird unser Urteil nicht nur objektiver, sondern auch gerechter.


(Autor: Markus Kenn)


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