Paulus´ Verteidigungsrede



Weil Paulus die neue Lehre, das Evangelium von Jesus Christus, angenommen hatte, wurde er verfolgt: Dabei waren es vor allem Schriftgelehrte, Sadduzäer und Pharisäer; zu Letzteren hatte auch Paulus gehört. Doch Paulus scheute sich nicht, ihnen Rede und Antwort zu stehen und dabei sein Bekenntnis zu Jesus Christus abzulegen, der sein ganz persönlicher Erretter und Erlöser geworden war. In der uns in der Apostelgeschichte überlieferten Verteidigungsrede rühmt Paulus sich nicht selbst, sondern er gesteht seine eigene Schuld ein; er beschönigt dabei nichts, er sucht nicht nach Entschuldigungen, er versucht sich nicht einmal ansatzweise heraus zu reden, sondern gibt unumwunden zu, sich versündigt zu haben und dadurch große Schuld auf sich geladen zu haben. Dazu gehört Realitätssinn, Geradlinigkeit, Aufrichtigkeit, Rückgrat und eine gehörige Portion Mut, nicht nur vor den Anderen, auch vor sich selbst. Wer gibt denn schon gerne zu, einen auch noch so geringen Fehler gemacht zu haben? - Paulus hingegen hatte sogar das Blut von Christen vergossen, und er war befriedigt, als er sah, dass man Stephanus zu Tode steinigte. Das Ableben von Stephanus war für Paulus sogar ein Erfolgserlebnis gewesen.

Daraus können wir Einiges lernen: Auch wir haben Schuld auf uns geladen, ob wir das wollten oder nicht. Niemand von uns ist so heilig, dass er nur Gutes tut, niemand von uns ist frei von Ungerechtigkeit. Selbst die besten Lehrer können sich nicht davon frei sprechen, dass bei ihrer Notengebung Sympathien und Antipathien für oder gegen einzelne Schüler ihren Einfluss haben. Auch die besten Eltern werden Geschwisterkindern nicht ganz gerecht, so sehr sie das auch wollen, und selbst bei Einzelkindern handeln sie nicht immer so, wie es sein sollte.

Obwohl ich als Single keine eigenen Kinder und keine Gattin habe, die ich ungerecht behandeln könnte, bin ich auch nicht frei von Schuld: Meine Fehlerhaftigkeit, meine Unvollkommenheit kommt dafür anderswo zum Ausdruck. Manchmal gehören dazu überflüssige Ratschläge über Kindererziehung und das Führen einer glücklichen Ehe. Ironisch könnte man sagen: Einer, der keine angetraute Ehefrau und keine Kinder hat, der weder Lehrer, Psychologe oder Erzieher ist, muss diesbezüglich ja auch wirklich alles wissen! - Nun denn: Ich erwische mich jedoch nicht nur hier, wie ich "klug" reden kann ohne eine Ahnung von dem zu haben, was ich da von mir gebe. Auch damit kann man schuldig werden.

Von Paulus aber lerne ich, dass ich mich immer zuerst an die eigenen Nase packen muss. Man kann sich nicht über die mangelnde Reinlichkeit seines Nachbarn beschweren, wenn man nicht zuerst vor seiner Haustür kehrt. Vor allem geht es darum, die eigene Schuld nicht klein reden zu wollen, und ich halte nichts davon, die eigene Verantwortung für das selbst verschuldete Verhalten einer schlechten Kindheit oder den Umständen zuzuschieben; das mag zwar Einiges, vielleicht sogar Vieles erklären, aber längst nicht alles, und sie sind vor allem kein Freifahrtschein für das eigene Versagen. Die Schuld, die Andere gegen mich auf sich geladen haben, berechtigt mich keinesfalls dazu, selbst schuldig zu werden, und Sachzwänge umschreiben in der Regel nur vornehm, dass man den Weg des geringsten Widerstandes geht und Konflikte meiden will. Die meisten Menschen handeln wie Soldaten, denn in jeder Armee gilt die Devise: "Bloß nicht negativ oder positiv auffallen!"

Wenn wir unsere Schuld nicht sachlich eingestehen, wenn wir zu beschönigen versuchen und Ausreden nutzen, dann handeln wir wie ein Trunkenbold, der immer wieder "gute" Gründe anführen kann, warum er gerade jetzt sich einen genehmigt, und sei es nur, dass zu einem guten Essen auch der entsprechende Wein gehöre, dass man ein Verdauungsschnäpschen brauche, dass Bier trinken zum Grillen und zum Fußball gucken einfach dazu gehören würden usw. Man findet immer Gründe, dies und jenes zu tun oder zu unterlassen; es ist nur die Frage, ob diese Gründe einer objektiven Prüfung Stand halten. Wie beim "Besuch der alten Dame" - einem Drama von Friedrich Dürrenmatt - lehnten die Angesprochenen in einem Dorf zunächst ab, einen Menschen auf Wunsch dieser alten Dame umzubringen, doch nach und nach überzeugten sie sich selbst davon, dass dieser Mord sogar noch ein gutes Werk ist.

So ist es mit dem Bösen allgemein: Man kann immer mit irgend etwas argumentieren; auch die Sklavenhalter in den Südstaaten der USA führten Gründe für die Sklavenhaltung an, in dem sie unter anderem davon überzeugt waren, ihren dunkelhäutigen Sklaven, die sie ohnehin als Menschen zweiter oder dritter Klasse ansahen, auch noch einen Gefallen zu tun; sie scheuten sich nicht einmal davor zurück, sich die Bibel dafür zurecht zu biegen. Einfacher ausgedrückt handeln wir wie Herbert Hiesl, einem Komiker aus den 1960iger Jahren, der einmal auf einer Single davon sprach, dass er vor Gericht stand und als Angeklagter gefragt wurde, warum er den Zeugen geschlagen habe. Die Antwort war prägnant: "Er stand gerade so günstig da!" - So kann man sich die eigene Schuld auch schönreden, auch wenn es bei Herbert Hiesl glücklicherweise nur ein Scherz war.

Wenn wir vor Gott kommen oder uns vor Menschen verantworten müssen, dann mag es uns schwer fallen, davon zu sprechen, dass wir gefehlt haben, dass wir schuldig geworden sind. Aber nützen uns Beschönigungen wirklich etwas? Auch wenn wir den Menschen Sand in die Augen streuen können: Gott können wir nicht belügen. Gott können wir nicht täuschen, und dies ist auch gut so: Dann sind wir - wenn wir es ernst meinen - genötigt, ehrlich zu werden auch vor uns selbst: Selbsterkenntnis ist immer der erste Schritt zur Besserung, wenn zwar auch nur ein Schritt, aber dafür ein entscheidender, denn selbst die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.

Mag es uns auch noch so peinlich sein, unsere Schuld einzugestehen, so ist das dennoch notwendig: Wenn wir hier unehrlich sind, dann laden wir uns nur noch weitere Schuld auf. Es ist wie in einem Strudel, der uns immer tiefer herunterzieht, bis wir in den Fluten unserer Schuld und unseres Versagens ertrinken. Wer einmal die peinliche Situation durch gestanden und seine Schuld ans Licht gebracht hat, ist am Ende erleichtert, gewinnt an Glaubwürdigkeit und kann so Jesus an sich wirken lassen. Ausreden dagegen sind immer schlecht, wir betrügen uns damit selbst. Machen wir es wie Paulus: Beschönigen wir unser Versagen nicht, sondern bringen es ehrlich vor Gott.


(Autor: Markus Kenn)


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