Regierungen sollen gerecht sein



Es gibt Gesetze, die wir als ungerecht empfinden, und Menschen können es mit ihrem Rechtsempfinden nicht vereinbaren, wenn sie als einfache Arbeiter und Angestellte Lohnkürzungen hinnehmen müssen, um ihre Arbeit zu behalten, während die Managergehälter steigen und Banker auch dann noch Tantiemen zu ihrem Gehalt bekommen, wenn sie ihrem Institut schweren Schaden zugefügt haben. Manche Vorschriften machen auch keinen Sinn. Ich erinnere mich noch an meine Zeit bei der Bundesmarine, in der es tatsächlich eine Vorschrift gab, welche besagte, dass ein Soldat selbstständig mit Schwimmbewegungen anzufangen hat, sobald das Wasser bis zu seiner Brust reicht.

In der Gastronomie waren die Wirte gezwungen, sich zu entscheiden, gegen welche von zwei sich widersprechenden Vorschriften sie verstoßen: Entweder kamen sie der Hygieneverordnung nach, in der es in der Küche keinen geriffelten Bodenbelag geben durfte, oder aber sie hielten die Unfallvorschrift der Berufsgenossenschaft ein, die eben diese geriffelten Bodenbeläge vorschrieb, damit die Küchenmitarbeiter nicht ausrutschen. Mit dem Bußgeld spielte man also so oder so; es war nur die Frage, welches weniger Kosten und weniger Ärger mit sich brachte.

Auf diesem Hintergrund kann man den obigen Bibelabschnitt aus Jesaja 10 verstehen. Es fällt den Menschen auch schwer, wenn sie nachvollziehen sollen, dass bei sozialen Leistungen gekürzt wird, während Unternehmen und Superreiche Steuergeschenke erhalten, wenn man bei der Beantragung von Hartz IV seine Kontoauszüge vorlegen muss, während man denjenigen, die Schwarzgelder in Steueroasen versteckten, amnestiert und Straffreiheit garantiert, wenn sie sich selbst anzeigen. Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher verstehen es auch nicht, wenn sie ihre kleinen Renten nicht so stark steigen wie die Inflation, also ihre Kaufkraft noch mehr geschwächt wird, während ein Bundespräsident bereits nach anderthalb Jahren eine große Altersversorgung erhält.

Nun ist Gerechtigkeit nicht immer so leicht zu erkennen, und es gibt oft Streit darüber, was gerecht ist. Fakt ist, dass wir Menschen in dieser Welt niemals ganz gerecht sein können: Unsere Gefühle spielen dabei genauso eine Rolle wie die Tatsache, dass unser Wissen Stückwerk ist. Auch unsere jeweiligen Erfahrungen, unsere Prägungen von zuhause und von unserer Kultur spielen eine Rolle. So findet sich jeder selbst bei kleinen Bußgeldern zu hart bestraft, während man es sehr leicht hinnimmt, dass ein Anderer für das gleiche Delikt vielleicht noch schwerer bestraft wird.

Dennoch gibt es bestimmte Parameter, die Gerechtigkeit nachvollziehbar machen: Es ist nicht nachvollziehbar, wenn ein Schüler denselben Notendurchschnitt in den Klausuren hat, auf dem Zeugnis aber stets schlechtere Noten bekommt als ein anderer Schüler. Es ist ungerecht, wenn eine Verkäuferin wegen eines Pfandbons, der liegen gelassen wurde und über einen sehr kleinen Betrag ausgestellt war, entlassen wird, während sich einige wenige Manager scheinbar alles erlauben dürfen und keine Konsequenzen zu befürchten haben. Wenn das Foul eines Spielers von Mannschaft A mit einer roten Karte geahndet wird, dann muss ein vergleichbares Foul eines Spielers der Mannschaft B ebenso mit einer roten Karte geahndet werden.

Auch Gesetze und Vorschriften dürfen nicht ungerecht sein. Rechtsverkehr in Deutschland gilt nicht nur für Fahrrad- und Mopedfahrer, sondern auch für Motorräder, Autos und Laster. Nicht nur der Fahrer mit seinem kleinen, in die Jahre gekommenen Polo, sondern auch der Fahrer eines funkelnagelneuen, mit allen Finessen und allem Luxus ausgestatteten Rolls Royce hat an einer für ihn roten Ampel stehen zu bleiben. Ein dicker Mercedes hat keine eingebaute Vorfahrt, und auch bei einem schnellen und teueren Sportwagen ist die Vorfahrt nicht serienmäßig eingebaut.

Gesetze gelten für alle, und sie dürfen nicht für die Einen große Vorteile und für die Anderen unzumutbare Härten enthalten. Gesetze und Vorschriften haben sozialverträglich und am Gemeinwohl orientiert zu sein. Dort, wo sich Ungerechtigkeiten und unzumutbare Härten entstehen, müssen Gesetze entsprechend korrigiert werden.
Deshalb haben Regierungen und Parlamente darauf zu achten, dass sie gerecht sind, dass sie keine Politik machen für Lobbyisten und Kleingruppen, sondern eine gerechte, dem Gemeinwohl dienliche. Genauso sollen Fleiß, entsprechende Reife und Begabung ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kind eine weiterführende Schule besucht oder nicht, aber nicht der Geldbeutel der Eltern.

Gott verlangt deshalb von den Gesetzgebern, von den Verantwortlichen gerechte Gesetze und eben solche Vorschriften, die nicht die Wehrlosen und Armen bedrücken oder die Reichen und Starken bevorzugen. Schon in den mosaischen Vorschriften lesen wir, dass Gott will, dass die Witwen, die Fremden, die Waisen Schutz genießen. Immer wieder weist Gottes Wort darauf hin, dass man niemanden bevorzugen oder benachteiligen soll, weder Arme noch Reiche.
Gott selbst sieht ja nicht die Person an, sondern auf dessen Herz. Nicht das dicke Bankkonto ist ausschlaggebend für Gottes Beurteilung, aber auch nicht die Tatsache, dass jemand ein "armer Schlucker" ist.

Gott sieht auf das Herz und darauf, ob jemand aus seiner Situation heraus zu Seiner Ehre lebt. Ich kann reicher sein als Abraham und Hiob zusammen oder ärmer als der arme Lazarus: Entscheidend ist, ob mein Herz für Gottes Sache schlägt. Genauso wenig wie ein Armer Geschenke annehmen darf oder sich durch ein attraktives Versprechen zu einer Falschaussage verleiten lassen darf, darf ein Reicher nicht versuchen zu bestechen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Regierende dürfen nicht ihre Lieblinge protegieren, sondern sind dem ganzen Volk und seinem Gedeihen verpflichtet. Gott achtet darauf, und Er wird die, die ungerecht sind, zur Verantwortung ziehen, ganz gleich, ob sie ganz oben, ganz unten oder irgendwo dazwischen sind.


(Autor: Markus Kenn)


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