Vastis Ungehorsam



Bei dem großen Festmahl hatte der König Ahsveros die Großen, die Edlen und seine Knechte geladen: Als Herrscher seines Landes war er auch derjenige, der bestimmte, welche Gesetze erlassen werden und welche aufgehoben. Das, was er sagte, war Gesetz. In der damaligen Zeit konnte nur so ein Land regiert werden. Das hing mit den damaligen Gegebenheiten zusammen: Der Existenzkampf war härter, und die Menschen, die um ihr tägliches Brot kämpften, hatten keine Zeit, sich mit den Fragen der Politik zu beschäftigen. Dafür waren speziell ausgebildete Menschen, die in der Regel zum Adel gehörten, zuständig, und sie wurden dafür ausgebildet.

Ein solches System setzte aber gleichzeitig voraus, dass den Regierenden auch entsprechende Macht und entsprechende Autorität gegeben wurde, die nicht untergraben werden durfte. Wer sich gegen die Befehle des Königs wandte, wurde deshalb bestraft. Vasti, die von ihrem König gerufen wurde - er wollte ihnen ihre Schönheit und ihre Anmut zeigen -, verweigerte dem König den Gehorsam. Dabei wusste sie nur so gut, dass ihre Weigerung die Autorität des Königs bedrohte und er entsprechend reagieren musste, wollte er auch weiterhin regierungsfähig bleiben.

Heute haben sich die Zeiten massiv geändert. Wir können uns freuen, dass wir nicht mehr reine Befehlsempfänger sind, sondern Einfluss nehmen können auf Politik und Gesellschaft. Wenn wir wollen, können wir in Parteien und Bürgerinitiativen, in Vereinen und Verbänden uns für die Gesellschaft in vielfacher Weise engagieren. Wir haben das Recht, Petitionen einzureichen. Wir haben das Recht, uns an unsere Abgeordneten zu wenden, ganz gleich, ob sie in Gemeinde-, Stadt- oder Kreisräten sitzen oder ob sie Mitglied des Land- oder Bundestages oder des Europaparlamentes sind. Doch genauso wie früher gibt es staatliche Obrigkeiten, die die Gesetze und Vorschriften festlegen, nach denen wir uns auch und gerade als Christen zu richten haben. Wir haben uns an die Straßenverkehrsordnung zu halten, an die Steuergesetze, an die Gewerbeordnung usw.

Regierungen sind von Gott dazu beauftragt, in einem Land, in einer Nation, in einer Gesellschaft für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Nur so kann das Zusammenleben der Menschen funktionieren und gedeihen. Wenn jeder im Straßenverkehr für sich selbst festlegt, ob er z. B. Links- oder Rechtsverkehr anwendet, funktioniert auf den Straßen bald gar nichts mehr. So heißt es in Römer 13, 1 treffend: "Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet." - Wir haben uns also an die Gesetze zu halten.

Doch auch Regierungen und Obrigkeiten bestehen aus Menschen, und Menschen sind nicht unfehlbar, auch wenn sie sich noch so sehr um das Gute bemühen. Auch ihr Wissen ist und bleibt auf dieser Erde Stückwerk. Es gibt Gesetze, die gegen Gottes Gebote verstoßen. Als Christen sind wir dann in der Zwickmühle, und die Frage stellt sich natürlich: "Was ist zu tun?" Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig und entscheidend, denn wir sind ja angehalten, das Richtige zu tun.

Die Bibel gibt uns auch hier einen Rat; so heißt es in Apostelgeschichte 5, 29: "Petrus aber und die Apostel antworteten und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." - Hier hatten Obrigkeiten versucht, Petrus und den Aposteln die Verkündigung des Evangeliums zu verbieten, doch Jesus hat uns ausgesandt, das Evangelium in alle Welt zu verbreiten. Bei widersprüchlichen Anweisungen, die man ausführen soll, kann man sich nur für die Ausführung der einen oder der anderen Anweisung entscheiden. Deshalb sagten die Apostel hier ganz deutlich, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen, und dies gilt auch dann, wenn wir dafür negative Konsequenzen auf uns nehmen müssen.
Dies darf uns aber nicht dazu verführen, uns leichtfertig auf Gott zu berufen, weil wir uns vor etwas drücken wollen oder weil uns etwas unangenehm ist. Wir müssen durch das Lesen der Bibel und durch Gebet prüfen, was Gottes Wille ist, um ihn dann umzusetzen: Letzteres kann von uns mehr fordern als Ersteres.

Anders ausgedrückt: Wir sind als Christen der staatlichen Ordnung untertan. Wenn wir z. B. in einer Vekehrskontrolle überprüft werden, kann uns dies stören, weil wir vielleicht unter Zeitdruck sind oder wir quengelnde Kinder im Auto haben, denen es vielleicht zu heiß ist. Aber die Polizei muss ja ihre Kontrollaufgaben durchführen, weil sie ja unter anderem nach Drogen fahnden muss, weil sie die Verkehrssicherheit von Autos zu überprüfen hat und diejenigen Autofahrer aus dem Verkehr zu ziehen hat, die ohne Fahrerlaubnis am Steuer eines Wagens unterwegs sind. Auch Steuern und Abgaben sind wichtig, damit der Staat seine Aufgaben in Bildung, in der inneren und äußeren Sicherheit, in der Infrastruktur, im Gesundheitswesen übernehmen kann. Die Dinge, die uns manchmal unangenehm sind, sind aber erforderlich, denn wie sollte die Polizei ihre Aufgaben erfüllen, wenn sie nicht kontrolliert oder der Staat die Seinen, wenn er kein Geld dafür hat?

Kommen wir unseren staatsbürgerlichen Pflichten nicht nach, sind wir den Autoritäten nicht gehorsam, dann hat das - wie für Königin Vasti - Konsequenzen. Das können Bußgelder, Zwangsmaßnahmen oder andere Strafen sein, doch nicht immer sind die Konsequenzen direkt spürbar. Nicht jeder, der Schwarzgelder hat oder schwarz arbeitet, wird entdeckt. Doch am Ende zahlen wir alle drauf, am Ende betrügen wir uns selbst, wenn wir den Staat beschummeln, denn der Staat ist die Summe seiner Bürger, und seine Bürger, das sind wir alle, jeder Einzelne von uns. Wer z. B. durch Schwarzarbeit keine Abgaben leistet, dem wird die Rechnung in erhöhten Zuzahlungen zu Medikamenten präsentiert. Oder in reparaturbedürftigen Strassen.

Vastis Ungehorsam zeigt, dass es nichts bringt, sich gegen das Notwendige aufzulehnen. Dinge, die getan werden müssen, erledigt man, auch wenn es schwer fällt. Einer meiner Lehrer beliebte zu sagen: "Wenn Euch ein Fach besonders schwer im Magen liegt, dann erledigt darin zuerst Eure Hausaufgaben, denn wenn das, was einem unangenehm ist, erst einmal vom Tisch ist, dann belastet einen das nicht mehr und alles Andere geht dann um so leichter von der Hand." So ist es mit allem. Das, was wir als erledigt abhaken können, braucht uns nicht mehr zu belasten.


(Autor: Markus Kenn)


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