Warnung vor Selbstgerechtigkeit



Die Hebräer hatten beinahe ihr Ziel, das Gelobte Land, erreicht; allerdings siedelten dort Völker, die grösser und mächtiger waren als das Volk der Israeliten. Jene Völker waren darüber hinaus kriegserprobt, während die Hebräer praktisch keine militärische Ausbildung und kaum militärische Erfahrung hatten. Dennoch gab Gott, der Herr, diese Völker in die Hand der Hebräer. Das brachte sie allerdings in eine andere Gefahr, nämlich selbstgerecht zu werden.

Das ist das Problem von allen Menschen: Schnell ist man selbstgerecht. Bekommt man etwas geschenkt, dann findet man schnell Gründe dafür, warum das so ist, dass man es letztendlich verdient hat. Selbst der unwahrscheinliche Glücksfall, dass man gleich bei seinem ersten Lottoeinsatz ganz allein einen riesigen Jackpot knackt, schreibt man gerne mehr oder minder dem eigenen Können zu: Schließlich hatte man angeblich den richtigen Riecher und somit den Erfolg verdient.

Auch die Pharisäer waren sehr stolz, also sehr selbstgerecht, was ihre Frömmigkeit betraf: Sie ließen ja keinen Gottesdienst aus, sie verrichteten lange Gebete, sie sassen obenan in der Synagoge, sie fasteten öfter als vorgeschrieben, sie achteten penibel auf die Einhaltung der Gebote, sie verzehnteten sogar noch ihre Einkäufe und taten anscheinend mehr als ihre Pflicht gewesen wäre. Man hätte meinen können, dass sie die Heiligkeit für sich gepachtet hätten, doch sie hatten Gott zwar auf den Lippen, aber nicht in ihren Herzen.

Heute ist das nicht anders: Es gibt Viele, die nach außen hin ehrbar erscheinen, fromm und gut, denn sie engagieren sich überall, sie spenden großzügig, und ohne sie scheint nirgends etwas zu laufen. Sicher: Die Allermeisten, die das tun, tun es wirklich aus Überzeugung und nehmen sich selbst dabei nicht so wichtig; sie wollen keinen Dank dafür, keine Orden, keine Lobreden, keine Laudatio. Und dennoch gibt es Einige, die nur deshalb Gutes tun, um sich selbst in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Dann können sie selbstgerecht sagen, wie gut sie doch sind. Wer aber Gutes aus Berechnung tut, muss sich fragen, ob er wirklich gut ist. Wer wirklich Gutes tun möchte, kann dies nur aus Liebe zu Gott und den Menschen tun.

Mose warnt seine Glaubensgenossen: Die anderen Völker werden nicht vertrieben, weil Israel so gerecht wäre; in den vierzig Jahren Wüstenwanderung haben sie oft genug Gott das Vertrauen und in der Konsequenz davon auch den Gehorsam verweigert. Sie tanzten um das goldene Kalb und wollten sich von einem selbstgemachten Götzen zurückführen lassen zu den Fleischtöpfen Ägyptens und der damit verbundenen Sklaverei. Die Güte Gottes und die Brutalität des pharaonischen Reiches wurde dabei ausgeklammert.

Nein, die Völker, die vertrieben wurden, wurden wegen ihrer Gottlosigkeit vertrieben. In den heidnischen Religionen herrschte Vieles, was Gott ein Gräuel ist: Die Sexualität war sehr freizügig, und man meinte, irgendwelche frei erfundenen Götter durch Prostitution milde stimmen zu können. Tempelhuren und Tempelhurer gab es in vielen Kulturen. Auch Menschenopfer gab es: So wurden in Babylon Kinder in den Moloch geworfen, und irische Druiden nahmen Kinder von armen Familien, die sich nicht freikaufen konnten, um diese zu opfern, also zu töten. Darüber hinaus möchte Gott die ungeteilte Liebe eines jeden Menschen und will nicht, dass man toten Götzen nachläuft, die nicht helfen können. Gott bestraft Gottlosigkeit, weil Gottlosigkeit immer Ungerechtigkeit auslöst.

Auch wir Christen müssen darauf achten, dass wir nicht der Selbstgerechtigkeit anheim fallen. Niemals dürfen wir vergessen, dass wir nicht aufgrund unserer eigenen Leistungen gerettet sind, sondern aus Gnade. Wir sind nichts anderes als begnadigte Sünder, die durch das Blut Christi rein gewaschen sind. Ein Glaubensbruder sagte einmal: "Wir Christen sind keine besseren Menschen, wir sind nur am Tage des Gerichtes besser dran!"

Es ist wie bei der Aufforderung Jesu, der zu den Anklägern der Ehebrecherin sagte: "Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein." (vgl. Johannes 8, 7). Bei dieser Aufforderung mussten alle passen und unerledigter Dinge von dannen gehen. Wenn ich an meine eigene Schuld denke, dann würde ich ganz sicher nicht den ersten Stein werfen dürfen und bestimmt nicht den Hundertsten, den Tausendsten ... Nein, ich müsste feststellen, dass ich mich gar nicht weit genug hinten anstellen könnte. Wenn ich ehrlich bin, dann werde ich eines Tages im Himmel der grösste Beweis für Gottes Gnade sein, eine Tatsache, die ich mir immer wieder bewusst machen muss, damit ich die Realitäten nicht aus den Augen verliere und bescheiden bleibe.

Selbstgerechtigkeit ist für uns Menschen stets ein schlechter Ratgeber: Zwangsläufig führt sie zur Arroganz und zum Ausblenden der eigenen Schwächen. Dann sucht man die Schuld für jedes Unglück, das einen trifft, bei den Anderen und ist schnell dabei, Sündenböcke zu finden. Aber nur die Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten ermöglichen uns, auf die Gnade Gottes einzugehen, die wir alle nötig haben. Wenn wir uns eingestehen, dass wir sündige Naturen sind, dann bilden wir uns nicht ein, dass wir unsere Rettung verdient haben, sondern nur deshalb gerettet sind, weil wir uns unter das Blut Jesu gestellt haben. Das macht uns Gott gegenüber dankbarer und dem Nächsten gegenüber großzügiger.


(Autor: Markus Kenn)


  Copyright © by Markus Kenn, www.christliche-themen.de
  Dieser Inhalt darf unter Einhaltung der Copyrightbestimmungen kopiert und weiterverwendet werden