Ernsthaft beten!



Wenn wir beten, dann möchten wir, dass unser Gebet vor Gott kommt, dass Er Sein Ohr zu unserem Rufen neigt; dies setzt aber ernsthaftes Beten voraus: Gebet, das erhörlich sein soll, darf nicht zum Schein verrichtet werden, damit die Menschen sehen, wie fromm wir doch sind. Es darf auch kein Gebet sein, dass man so herunterleiert nach dem Motto: "Pflicht erfüllt, Haken unter diesem Punkt der Tagesordnung!" Das wäre ungefähr so, als wenn jemand zu unserem Geburtstag oder zum Muttertag ein Gedicht einfach nur herunterleiern würde: Es würde uns, so gut der Inhalt auch sein mag, nicht erfreuen.

Wir können es uns auch anders deutlich machen: Wir wissen z. B., dass der Gruß eines Anderen oder die Frage nach dem Befinden meistens nur eine Höflichkeitsfloskel ist. Wir nehmen sie also nicht sonderlich ernst. Wie soll Gott unser Gebet ernst nehmen, wenn wir es nur als eine Art Floskel sehen, wenn es nur ein Ritual, eine Tradition ist, die man beibehält, weil man es so gewöhnt ist?

Es ist wie mit der Berufsfreundlichkeit und den mehr oder minder auswendig gelernten Redewendungen von Verkäufern und anderen Dienstleistern: Ohne Herzenswärme dahinter führen sie auf Dauer zu nichts. Es ist wie bei den Call Centern: Auch bei deren Anrufen kommen wir uns oft genug verschaukelt vor, auch wenn sie auf jeden Einwand eine Antwort haben, doch wir merken, dass dies nur abgelesen ist, dass es sich dabei nur um standardisierte Antworten handelt.

Mit anderen Worten: Gott will unser ernstes Gebet, wenn es vor Ihn kommen soll. Wenn wir ernsthaftig beten, dann dürfen wir Ihn loben, preisen und danken, und wir dürfen Ihm auch unsere Sorgen, unseren Kummer, unser Leid vor Ihn bringen. Wir dürfen uns bei Ihm richtig ausheulen und Ihm sagen, wenn es uns schlecht, ja, wenn es uns so richtig dreckig geht. Dabei brauchen wir keinen Rhetoriklehrgang, und wir müssen uns nicht in geschwollenen Reden verbiegen. Wir dürfen Ihm sagen: "Gott, ich fühle mich so richtig schlecht. Ich kann nicht mehr weiter. Bitte hilf mir!" Oder: "Herr, Du weißt, dass ich dies oder jenes wirklich brauche. Aber Du weißt, dass es bei mir mau aussieht. Bitte zeige mir einen Weg."

Wenn wir aber nicht ernsthaft beten, dann müssen wir doch ehrlichkeitshalber uns eingestehen, dass uns das, worum wir bitten, nicht wirklich interessiert. Wenn wir nicht ernsthaft Gott loben und preisen, dann sollten wir es lieber lassen. Man braucht sich ja auch nicht auf eine Stelle zu bewerben, die man sowieso nicht antreten will. Man ruft ja auch die Leute nicht an, mit denen man sich nicht unterhalten will. Man engagiert sich auch nirgends, wenn man darin keinen Sinn sieht.

Das heißt aber nicht, dass wir das Gebet als solches der Einfachheit halber ausblenden sollten. Damit würden wir unsere Beziehung zu Gott einschlafen lassen und würden uns selbst keinen Gefallen damit tun. Es geht aber darum, dass wir uns überlegen sollten, um was wir bitten und uns zu prüfen haben, ob unser Gotteslob wirklich ernst gemeint und nicht bloß gedankenlos dahin gesagt ist. Ein ehrliches "Danke schön" erfreut uns doch mehr als eine noch so schöne Dankesrede, die doch nur herunter geleiert ist. Ein Kompliment, das ernst gemeint ist, erfreut, nicht aber eines, welches nur die Verlängerung einer Schleimspur ist. Keinem Schüler bringt die Eins im Aufsatz etwas, wenn der Lehrer diese nur aus Sympathie, nicht aber aufgrund der entsprechenden Leistung gegeben hat.

Wenn wir dagegen Gott ernsthaft "Danke" sagen, Ihn ernsthaft loben oder bitten, dann macht unser Beten Sinn. Gott wird nicht alle unsere Bitten erfüllen, und die Wenigsten, die Er erfüllt, erfüllt Er sofort. Doch Er erhört stets ernsthaftes Gebet. Vielleicht zeigt Er uns, dass die erbetene Stelle nichts für uns gewesen wäre oder dass wir hier und da eine weitere Qualifikation oder ein Mehr an Lebenserfahrung brauchen oder Er uns woanders haben möchte. Oder Er macht uns bewusst, dass Er uns etwas nicht gibt, weil ein Verzicht uns wachsen lässt oder uns eine Sache nicht gut tut.

Gott ernsthaft zu danken hat auch noch viele andere Perspektiven: Wir schauen nicht mehr auf all das, was wir nicht haben und uns wünschen, sondern wir sehen auf das, was wir haben und merken dabei, wie reich wir doch sind. So ist die Freiheit, die wir in unserem Land genießen, längst nicht selbstverständlich. Diejenigen, die noch das Dritte Reich erlebt haben, erinnern sich an die Angst, seine Meinung zu sagen, weil jedes Wort gegen einen selbst ausgelegt werden und sogar zu KZ-Haft und zum Tod führen konnte.

Ich gebe ein anderes Beispiel: Mancher mag vielleicht um Kaviar bitten und um eine teure Flasche Wein. Aber Brot, das uns sättigt und Wasser, das uns den Durst löscht, ist nicht selbstverständlich: In vielen Teilen dieser Welt ist selbst das schon ein Luxus. Das dürfen wir nicht vergessen. Wenn wir sehen, dass das vielleicht Wenige, das wir haben, mehr als nichts ist, dann geht es uns schon besser. Anders ausgedrückt: Es ist nicht verboten, um Schuhe zu bitten, wenn man keine hat, aber es ist auch nicht verboten, Gott für die Füsse zu danken, an denen wir Schuhe tragen können. Wie sagte einmal ein Prediger? - "Wer keine Brille braucht, der soll Gott für diese Tatsache danken; wer aber eine braucht, der soll Gott dafür danken, dass es welche gibt!"

Ernsthaftes Gebet sieht also auf das, was Gott uns bereits gegeben, geschenkt hat. Das stärkt unser Vertrauen in Gottes Allmacht. Wer Gott vertraut, der bittet Ihn auch ernsthaft und weiß, dass Gott alles zu geben vermag, was gut für uns ist. Dieses Vertrauen nimmt sehr viele Sorgen und damit sehr viel Ballast von unseren Schultern. Wir haben den Blick dann frei für das Eigentliche, Wesentliche. Und auch dafür dürfen wir Gott danken.


(Autor: Markus Kenn)


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