Hiobs Verzweiflung



Hiob war vom Schicksal hart gebeutelt, hatte er nicht nur seine gesamte Existenz, sondern auch alle seine Kinder verloren. Vom großen Reichtum in die Armut zu fallen, das alleine fällt schon schwer, und wenn man als Vater (oder als Mutter) seine Kinder begraben muss, dann hat man eine Erfahrung gemacht, die schmerzlicher wohl kaum sein kann. Wen wundert es da, dass Hiob sich verzweifelt an Gott wendet, weil er, der immer rechtschaffen, gläubig und vorbildlich gewesen ist, ein so schweres Schicksal erleiden musste.

"Warum, oh Gott?", - das ist eine Frage, die wir uns nicht nur im eigenen Leid, sondern auch auf dem Hintergrund der vielen schlechten Nachrichten weltweit stellen. Es ist ja nicht allein die allgemeine Feststellung, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, es ist ja nicht nur die Beförderung, bei der man übergangen wurde, weil ein anderer Mitarbeiter den Chef besonders gut umschleimt hat, es ist ja der Hunger, das Elend auf der Welt, bei denen Kinder und selbst Säuglinge ums Leben kommen. In Kriegen werden zunehmend Kindersoldaten eingesetzt, teilweise nicht älter als sechs oder sieben Jahre: So zynisch es auch klingt, sind sie doch für diejenigen, die diese Kleinen als "Soldaten" einsetzen, nicht mehr als Verschleißmaterial, weil Kinder die Gefahr nicht kennen und sich leichter verheizen lassen. Auch ich frage Gott in Anbetracht dieser Berichte: "Warum ist das so?" Und bitte: "Erbarme Dich doch über die Unschuldigen!"

Aber letztendlich ist Gott nicht an diesem Dilemma schuld, es sind wir Menschen, die sich selbst ihre Probleme machen und anderen Menschen Probleme bereiten. Dabei wäre manche Not schon viel geringer, wenn sich der einsame alte Mann von gegenüber vertrauensvoll an seine Nachbarn wenden könnte, wenn er Hilfe bräuchte. Und warum laden wir nicht einmal einen einsamen Menschen zum Heiligen Abend ein, wo wir doch Weihnachten völlig zu Recht als ein Fest der Liebe bezeichnen? Es wäre schon die berühmte halbe Miete, wenn wir wenigstens das Böse unterlassen würden, womit noch lange nicht das Gute getan ist. Bei Letzterem sollten wir Erich Kästners Reim uns zu Herzen nehmen: "Es gibt nichts Gutes außer man tut es!"

Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass es uns nicht zusteht, Gott auf die Anklagebank zu setzen: Es ist nicht Gott, der die Bomben wirft, es ist nicht Gott, der verantwortlich ist für Hunger und Kriege, es ist nicht Gott, der Streit anfängt, es ist nicht Gott, der Freude an Gewalt und Kriminalität hat, sondern wir Menschen. Solange Menschen aus ihrer Gier heraus mit Nahrungsmitteln spekulieren, solange die Reichen unbedingt jeden Tag ihr Steak haben müssen, solange aus einer falsch verstandenen Energiepolitik heraus Flächen zum Anbau von Lebensmitteln zu Flächen für Biosprit umgewandelt werden, wird es Hunger geben. Solange wir Menschen habgierig und neidisch sind, wird es Betrügereien, Raub und Diebstähle geben. Solange wir Menschen nicht bereit sind zu vergeben, sanft und friedfertig zu sein, solange wird es Gewalt, Mord, Totschlag und Kriege geben.

Sicher: Auch der Frömmste kann nicht in Frieden leben, wenn es der böse Nachbar nicht will, doch es liegt an uns, diese Angelegenheiten im Gebet vor Gott zu bringen und uns von Ihm leiten zu lassen. Es ist unser Scherflein, das dazu beiträgt, dass Armen das Leben erleichtert. Es ist unsere Entscheidung, ob wir unsere freie Zeit vor der Glotze verbringen oder ob wir sie für die Reich-Gottes-Arbeit verwenden. Es liegt an uns, Einsame, Kranke und Alte zu besuchen und uns um Ausgestoßene zu kümmern.

Anders ausgedrückt: Wenn wir Gott nach dem Warum fragen, dann soll diese Frage keine Anklage Gott gegenüber sein, sondern vielmehr die Bitte, uns zu zeigen, wo wir uns ändern müssen und Ihn auch zu bitten, uns dabei zu helfen. Oft können wir doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Was hindert jemanden, der einsam ist, daran, sich in einem Besuchsdienst zu engagieren? Und viele Kirchengemeinden und soziale Organisationen freuen sich darüber, wenn man seine Mitarbeit anbietet.

Für Gott sind wir wichtig, und Er möchte uns gebrauchen. Er möchte unsere Hände, unsere Füsse, unsere Augen, unsere Stimme, unsere Ohren, damit an Seinem Reich gebaut wird. Wenn wir den Herrn aufrichtig bitten, uns zu zeigen, wo wir Ihm dienen können, dann ist Er gerne bereit, uns zu gebrauchen. Dann erleben wir, dass Er da oder dort auch unsere Krankheit benutzt, unsere Not, damit wir anderen Menschen begegnen, denen wir Gott bezeugen können. Lassen wir uns auf Ihn ein. Dann wird aus unserer Anklage, die wir vielleicht im Herzen tragen, bald Dankbarkeit.


(Autor: Markus Kenn)


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