Liebt einander!



Das Gebot der Liebe zu Gott aus ganzer Kraft, ganzem Vermögen, ganzer Seele und ganzem Geist und zum Nächsten wie sich selbst ist praktisch die Kurzformel für alle anderen Gebote. Will sagen: In diesem Gebot der Liebe sind alle anderen Gebote eingeschlossen. Ein Mann, der seine Frau liebt, und eine Frau, die ihren Mann liebt, werden keinen Ehebruch begehen, und wenn ich meinen Nächsten liebe wie mich selbst, dann werde ich ihn nicht töten und auch nicht verleumden. Demjenigen, den man liebt, fügt man keinen Schaden zu.

Dies zeigt sich auch bei Eltern, die ihre Kinder lieben: Sie wollen deren Bestes und tun alles Erdenkliche, damit der Nachwuchs eine möglichst gute Ausbildung bekommt und seine Begabungen optimal entfalten kann. Gute Eltern, die ihre Kinder lieben, werden ihnen Grenzen setzen und Regeln geben, damit die Kinder Orientierung haben und sich in der Welt zurechtfinden.

Umgekehrt werden Kinder, die ihre Eltern lieben, auch sehen, dass die Eltern nicht allein gelassen sind, wenn sie alt, krank und pflegebedürftig werden. Sicher kann man Eltern aus verschiedensten Gründen nicht immer zuhause pflegen: Manche Krankheitsbilder brauchen eine professionelle Betreuung rund um die Uhr, woanders hat man vielleicht nicht die Möglichkeit, den dement kranken Vater oder die dement kranke Mutter sicher zu betreuen. Doch Kinder, die ihre Eltern lieben, werden sie nicht einfach irgendwohin abschieben nach dem Motto: "Hauptsache satt und sauber!" Und sie werden ihre Eltern besuchen und selbst soviel an Zuwendung geben wie möglich ist.

Liebe tut dem anderen nichts Böses: Einem Menschen, den ich Liebe entgegenbringe, möchte ich ja ganz bestimmt nicht schaden. Es ist ein Widerspruch in sich, Liebe zu beschwören und den anderen zu bestehlen, zu betrügen oder auszunutzen. Heiratsschwindler sind zwar gut darin, Liebe vorzutäuschen, und auch viele Hochstapler sind Spezialisten darin, Vertrauen zu erwecken und den Menschen zu suggerieren, dass man es mit ihnen gut meine: Dabei geht es nur um den eigenen Vorteil, den eigenen Profit, selbst dann, wenn die Opfer finanziell und menschlich völlig ruiniert werden.

Sicher muss echte Liebe auch entsprechend "Nein" sagen können. Welche Eltern geben ihren kleinen Kindern Spirituosen zu trinken, selbst wenn diese es wünschen? Und wenn ich meinen Nächsten liebe wie mich selbst, dann werde ich einen Alkoholiker auch nicht zum Bier einladen. Es ist lieblos, einem Abhängigen seine Sucht zu finanzieren, aber ebenso lieblos ist es, ihm wirkliche Hilfe, die man geben könnte, zu verweigern.

Das Gebot der Liebe ist zugegebenermaßen oft auch wie eine Zumutung, denn es setzt voraus, dass ich mich nicht nur um die eigene Achse drehe, sondern auch über meinen Tellerrand hinaus sehe und auf eigene Rechte und Interessen verzichte. Wenn ich einen Akt der Nächstenliebe begehe, dann setze ich mich mal auch Gefahren aus wie der barmherzige Samariter aus dem Gleichnis. Oder ich muss damit rechnen, dass ich Ärger bekomme. Tritt man z. B. auf den Schulhof für den Außenseiter ein, der schon wieder Klassenkeile bekommt, dann wird man selbst geschnitten.

Aber welche Konsequenzen hat denn die Lieblosigkeit? Weil unsere Gesellschaft kalt und lieblos geworden sind, leiden die Menschen auch dann noch unter Einsamkeit, wenn sie in vielen Vereinen sind, wenn sie regelmäßig den Stammtisch besuchen und zum Kegelabend gehen und wenn sie von Freunden eingeladen werden und selbst Gastgeber sind. Menschen sterben einsam in ihren Wohnungen, und niemand bemerkt etwas, obwohl die Tageszeitung nicht mehr herein geholt wird und der Briefkasten überquillt. Wenn wir Menschen ausgrenzen, wenn wir uns nicht mehr um unsere Nächsten kümmern, dann wird auch im Falle der eigenen Not niemand da sein, der sich um uns kümmert.

Und so ist es mit allem: Eine lieblose Gesellschaft ist eine hassende und damit hässliche Gesellschaft. Dabei ist es eine Bereicherung, anderen eine Freude zu machen oder jemanden einfach mal einen Gefallen zu tun. Das bedeutet schließlich nicht, dass man sich ausnutzen lassen muss. Sich selbst ausnutzen zu lassen ist letztendlich nicht nur lieblos gegen sich selbst, sondern auch gegen den anderen, bei dem man es zulässt, ausgenutzt zu werden, weil man ihn dann zu etwas Schlechtem verleitet. Echte Liebe aber bereichert und segnet uns alle. Und sie macht unsere Beziehung zu Jesus richtig lebendig.


(Autor: Markus Kenn)


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