| Der Neuanfang des Judentums in Deutschland
Die Geschichte des deutschen Judentums von Konstantin dem Großen bis heute
V. Der Neuanfang des Judentums in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg
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Innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches wohnten 1933 rund 525.000 Juden. Am 1.April 1953 waren bei den jüdischen Gemeinden der Bundesrepublik und Westberlins 22.484 Mitglieder eingetragen. Glücklicher Weise haben über die Hälfte der deutschen Juden noch rechtzeitig fliehen können, die jüdische Bevölkerung hier bei uns im höher gelegenen Westerwald ist aber nahezu 100% ig ermordet worden.( Ich verweise dabei auf das Buch "Juden im Westerwald", das von Joachim Jösch und Ulli Jungbluth u.a. herausgegeben wurde. ) Die Rückkehr eines lebendigen Judentums in unser Gebiet gibt es bislang nicht. Ich fürchte, dass es eine solche Rückkehr nie mehr geben wird.
Von den Juden, die die Vernichtungslager im Osten überlebt hatten, waren 1946 circa 200.000 in Deutschland, sie gehörten aber nicht den jüdischen Gemeinden an, sondern es waren die sog. Displaced Persons, die von UN- Organisationen versorgt wurden. Von diesen wanderte der grösste Teil bis 1949 in verschiedene Länder aus, ab 1948, dem Gründungsjahr des Staates Israel, auch besonders gern nach Eretz Israel. Ab 1949 begann wieder eine Rückwanderung von Juden nach Deutschland. Der Vater von Paul Spiegel, dem Zentralratsvorsitzenden im Jahr 2005, kam mit seiner Familie auch wieder zurück nach Deutschland. In Köln, Düsseldorf und Dortmund bildeten sich bald jüdische Zentren. 195o wurde der Zentralrat der deutschen Juden, die Dachorganisation der jüdischen Gemeinden und Landes-Verbände in Deutschland, gegründet, der heute eine Körperschaft öffentlichen Rechtes ist. Hinzu kam später noch die "Union progressiver Juden". Die rheinischen Städte und die nord-rheinwestfälischen Landesregierungen unterstützten von Anfang an tatkräftig die jüdischen Gemeinden, um wieder ein lebendiges Judentum zu erhalten, wie es ja 16oo Jahre lang - mit Unterbrechungen - im Rheinland bestanden hatte.1952 wurde das Wiedergutmachungsabkommen zwischen Konrad Adenauer und Ben Gurion, dem ersten Ministerpräsidenten von Israel, geschlossen. Bei der Abstimmung im Bundestag war Adenauer auf die Stimmen der SPD-Opposition angewiesen. Seine eigene Partei versagte ihm teilweise die Gefolgschaft. Ich sage dies deswegen, um zu zeigen, wie tief sich der Antisemitismus bei den Menschen in Deutschland, auch bei solchen, die sich Christen nennen, festgesetzt hat. Und der Antisemitismus ist bei uns noch längst nicht überwunden sondern schwillt gegenwärtig wieder an.
Bis 1990 stieg die Zahl der Juden in Deutschland allmählich auf nahezu. 100.000 an. Jüdisches Leben kehrte vor allem in die grossen Städte zurück. Synagogen wurden gebaut. In Berlin-Mitte wurde die Große Synagoge in der Oranienburger Strasse wieder errichtet - heute Museum - und in Kreuzberg wurde das vielbesuchte großartige Jüdische Museum nach Plänen von Liebeskind gebaut. In Berlin gibt es auch wieder ein jüdisches Gymnasium. Das Holocaust-Mahnmal südlich des Brandenburger Tores wird wohl 2006 vollendet sein. Bei der Debatte und Abstimmung im deutschen Bundestag über die Errichtung des Mahnmals sagte der damalige Staatsminister für Kultur Michael Naumann sinngemäß und sehr treffend: "Der Angriff Hitlers auf das Volk Israel war ein Angriff auf den einen Gott, wie er von den Juden und den Christen verehrt wird."
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde 1991 vom Bund wie von den Ländern ein Beschluss gefasst, Juden aus den GUS - Staaten als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einreisen zu lassen. Im Laufe der Jahre kamen bis dato c. 100.000 Juden aus den GUS-Staaten nach Deutschland. Diese hohe Zahl stellt die jüdischen Gemeinden und auch die deutschen Länder vor einige Probleme. In der Regel sprechen diese einreisenden Juden fast kein Deutsch. Sie brauchen also Sprachunterricht, der von den Ländern bezuschusst wird. Die Juden haben auch nur ganz geringe Kenntnisse über ihre Religion, da sie im Kommunismus an der Ausübung ihrer Religion gehindert wurden. Die Rabbiner haben dementsprechend übermäßig viel zu tun. Die Berufsabschlüsse der einreisenden Juden werden bei uns leider nicht anerkannt. Und ausserdem sind die einreisenden Juden zum grösseren Teil alte Menschen. Die jüngeren Juden, die berufstätig sind, verlassen manchmal die jüdischen Gemeinden, weil sie dort Kultussteuer zahlen müssen. Die älteren Juden leben zum Teil von der Sozialhilfe. Die deutschen Länder, die sich bislang in Staatsverträgen zur Unterstützung der Gemeinden verpflichtet haben, wollen die Unterstützung nicht weiter aufstocken. Der Zentralrat der Juden schlägt vor , die 27.000 Juden, deren Anträge auf Ausreise in den GUS-Staaten schon gestellt sind, noch einreisen zu lassen. Danach aber soll ein Stop des Zuzugs erfolgen, weil die jüdischen Gemeinden - insgesamt sind es 89 , die zum Zentralrat der Juden gehören - sich einfach überfordert fühlen, weitere Juden zu integrieren. Ob das Judentum in Deutschland also wirklich eine dauerhafte Zukunft hat, ist noch fraglich.
Aber einige wichtige mutmachende Tatsachen über das Verhältnis Christentum-Judentum und Deutschland-Israel sind noch zu erwähnen: Die Enterbungslehre ist von der Katholischen Kirche auf dem 2. Vaticanum im Jahr 1965 aufgehoben worden, in einigen ev. Landeskirchen, z.B. der hessen-nassauischen desgleichen. Israel wird endlich von den großen Kirchen iwe schon längst bei den Freikirchen als Gottes bleibend auserwähltes Volk anerkannt. Jedes Jahr reisen viele Tausende Christen als Touristen nach Israel.
Die Deutsch-israelische Gesellschaft und christlich - jüdische Arbeitsgemeinschaften bemühen sich seit Jahrzehnten um eine Überwindung der durch die Shoa aufgerissenen Gräben zwischen Deutschen und Juden. Jedes Jahr gibt es die "Woche der Brüderlichkeit". Deutsch - israelische Städte-Partnerschaften sind gegründet worden, von denen Jugendaustausch und andere Begegnungen zwischen Juden und Deutschen organisiert werden. Koblenz z.B. hat zum Partner in Israel die Stadt Petach-Tikwa, östlich von Tel Aviv. Zwischen den Staaten Bundesrepublik und Israel gibt es eine funktionierende wirtschaftliche und auch eine vorsichtige militärische Zusammenarbeit. Deutschland gehört innerhalb der EU wegen unserer Vergangeheit verständlicherweise zu den Israel - freundlichen Staaten.
Zum Ende meines Vortrages über das Thema:"Geschichte des deutschen Judentums von Konstantin dem Grossen bis zur Gegenwart" möchte ich Ihnen gleichsam als Nachtrag noch eine Information geben, die über das mir gestellte Thema hinausgeht.
Es gibt in diesem Jahr weltweit circa 300.000 messianische Juden, davon circa 10.000 in Israel, und über 1.000 auch in Deutschland - "Messianische Juden" - das ist bei uns ein weithin unbekannter Begriff. "Messianische Juden" sind Juden, die an Jesus als ihren Messias glauben, die aber ganz bewusst Juden sind und Juden bleiben wollen, so, wie es Paulus im NT auch gefordert hatte. Sie sind aus völlig freien Stücken, also ohne den geringsten kirchlichen Druck, an Jesus gläubig geworden. Dies ist also eine Wiederholung des Anfangs der Kirche, als an Pfingsten 3.000 Juden ohne Druck zum Glauben an Jesus fanden. Diese 300.000 messianischen Juden sind nach Aussagen der Bibel ein Hinweis auf die sich nähernde Wiederkunft Jesu, bei der nach der Prophetie des Paulus im Römerbrief Kap. 11,25ff, der Stelle, die ich am Anfang des Referates erwähnte ,das ganze Volk Israel in Jesus seinen Messias erkennen wird. Diese 300.000 messianischen Juden wie auch die gegenwärtige Rückkehr des Volkes Israel in sein Heimatland Eretz Israel machen uns Hoffnung auf ein gutes Ende der Geschichte, nämlich die Wiederkunft Jesu und sein Friedensreich, in das alle Menschen eingeladen sind.
Vielen Dank, dass Sie mir so lange Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.
(Autor: Pfarrer i. R. Hans-Christoph Gensichen) |