Mardochai hatte dem König einen großen Dienst erwiesen, doch er hatte dafür noch keinen Dank, keine Ehrung erhalten. Der König, der sich die Chroniken vorlesen ließ, weil er nicht schlafen konnte, hakte nach und wollte Mardochai den Dank, dem er ihm schuldig war, entgegenbringen. Dafür befragte er seinen Hofbeamten Haman, der sich der trügerischen Hoffnung hingegeben hatte, er sei derjenige, den der König meint und machte einen großspurigen Vorschlag. Haman dachte, wenn er in königlichen Gewändern durch die Stadt auf einem Pferde sitzend geführt würde, dann würde er von allen geehrt werden, doch der König schickte ihn zu Mardochai, denn diesem gebührte die Ehre. Dadurch war Haman natürlich in seiner Ehre verletzt.
Geht es uns nicht oft genauso? - Im Grunde wollen wir für das, was wir tun, gelobt und belohnt werden und unterscheiden uns diesbezüglich nicht im Geringsten von Kindern. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass wir dabei an Lohnerhöhungen, Sonderurlaube und Karrieresprünge denken, während sich Kinder mit einem Stückchen Schokolade oder einer Limo begnügen.
Gern erfahren wir auch Lob. Wir möchten geehrt sein, ganz oben stehen, möglichst weit vorne sitzen. Wir möchten ge- und befragt werden, selbst über Dinge, die uns im Grunde nichts angehen, weil wir uns wichtig vorkommen und unser Wissen und unsere Erfahrung zur Geltung bringen wollen. Es tut uns gut, um Rat gefragt zu werden, weil es eine Wertschätzung unserer Kompetenz ist. Sicher dürfen wir uns glücklich schätzen, wenn uns Vertrauen entgegen gebracht wird, wenn man uns eine große Kompetenz und einen großen Erfahrungsschatz zubilligt, doch wir müssen auch darauf achten, dass wir uns dieses Vertrauens als würdig erweisen. Dazu gehört vor allem der Mut, uns selbst und Anderen einzugestehen, wenn wir schlicht und ergreifend überfragt sind: Kein Mensch weiß alles.
Vor allem sollen wir uns davor hüten, uns mit fremden Federn zu schmücken. Wie peinlich ist es, wenn heraus kommt, dass ein Verdienst dem Kollegen zukommt und nicht uns selbst! Dann verspielen wir auch da Vertrauen, wo man es uns hätte entgegen bringen können. Anders ausgedrückt: Ich möchte ja auch nicht für die Fehlleistungen anderer Menschen gerügt und bestraft werden, dann muss ich auch konsequenterweise ihnen das ihnen gebührende Lob überlassen.
Das schützt vor selbstverschuldeten Verletzungen, aber auch vor Arroganz und Überheblichkeit, die uns blind machen für unser eigentliches Können. Wer dem Ehre geben kann, dem sie gebührt, bekommt zumindest die Ehre, ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch zu sein, und dies allein ist schon sehr viel wert. Dabei dürfen wir aber niemals übersehen, dass das, was wir zu leisten vermögen, aus Gottes Hand kommt. Im Grunde gehört allein Gott all die Ehre, und wir tun gut daran, dies immer zu bedenken.
Das wusste auch Johann Sebastian Bach, der unter sein Werk schrieb: "S. d. g" ("Soli deo gloria") = "Allein Gott die Ehre" Der große und bedeutende Komponist, der uns so viele wunderbare Werke hinterließ, wusste, dass er dies nur aus der Gnade Gottes heraus vollbringen konnte. Deshalb war er nicht nur als Künstler und Kulturschaffender so groß, sondern auch als Mensch, weil er Demut bewahrte.
Auch Jesus wies darauf hin, dass wir bescheiden bleiben sollen.
In Lukaus 17, 7-10 heißt es: "Wer aber von euch, der einen Knecht hat, der pflügt oder hütet, wird zu ihm, wenn er vom Feld hereinkommt, sagen: Komm und leg dich sogleich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Richte zu, was ich zu Abend essen soll, und gürte dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; und danach sollst du essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er das Befohlene getan hat? Ich meine nicht. So sprecht auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren."
Und in Matthäus 23:12 heißt es: "Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht."
Hätte Haman beachtet, dass Gott dem Hoffärtigen widersteht, sich aber dem Demütigen zuwendet, dann wäre er nicht über seinen eigenen Stolz gestolpert. Hochmut kommt immer vor dem Fall. Haman hatte sich ganz schön blamiert: Auch wenn das Volk davon nichts mit bekommen hatte, so wussten doch Haman selbst, seine Frau und seine Freunde darum. Deshalb schämte Haman sich, ihnen unter die Augen zu treten, und als er bekennen musste, was geschehen war, da schmiedeten er und seine Frau Rachepläne. Die Sünde gebiert nun einmal immer wieder Sünde, und die Sünde des Stolzes gebar in Haman die Sünde des Hasses und der Rachegedanken. Es ist aber keine Lösung, eine Sünde durch eine andere, weitere, oftmals schlimmere lösen zu wollen. Ungerechtigkeit und Schuld wirken sich immer destruktiv aus, nicht nur für die Opfer, sondern auch und vielleicht vor allem für die Täter: Sie verlieren mehr und mehr ihr Gewissen, ihre Selbstachtung und das Gefühl für Gut und Böse. Am Ende sind sie einsam, ganz gleich, wie viele Menschen um sie herum sind. Wer Sünde tut und sich nicht bekehrt, mit dem endet es immer traurig.
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