Ich habe einmal über Weihnachten und Sylvester 1991 / 1992 einen Urlaub in einem süddeutschen Kloster verbracht: Damals war ich gerade frisch bekehrt und wollte meine Gedanken ordnen und fand, dass die Ruhe eines Klosters das richtige Umfeld ist. Dort bewunderte ich den Abt, der so gut und eindringlich predigen konnte und damit sehr viele ansprach. Bedauerlicherweise blieb es aber nur bei den an sich guten Worten: Ich hatte viele Fragen, denen er auswich, und Andere, die in einen Orden eintreten wollten und dafür geeignet waren, vergraulte er. Mir selbst - obwohl ich niemals den Gedanken hegte, in eine Gemeinschaft einzutreten - knallte er an den Kopf, dass er mich nicht einmal als Hilfsarbeiter einstellen würde; dabei wusste er, dass ich zu jenem Zeitpunkt bei der US-Army als deutscher Zivilangestellter angestellt war und eine Einstufung hatte, die in Deutschland dem Stabsfeldwebel entspricht. Er, der so viel und so ausführlich, aber auch rhetorisch gekonnt von Liebe und Verständnis sprach, benahm sich "hinter den Kulissen" wie eine Axt im Walde. Noch heute erscheint es mir, dass ihn die Menschen herzlich wenig interessierten, sondern nur sein Erfolg auf der Kanzel.
Aber auch in einer freien Gemeinde war ich bald bitter enttäuscht: Die Leitung bestand aus einer Unternehmerfamilie. Sehr schön konnte sie von Verantwortung sprechen und davon, Jesu Liebe weiter zu geben. Oft sprachen sie auch von der Retterliebe, die in jedem Christen glühen sollte und davon, dass diese Retterliebe ihre grösste Motivation sei; dabei sprachen und sprechen sie von der Verantwortung für Lieferanten, Kunden, Marktpartnern und Mitarbeitern genauso wie gegenüber der Gesellschaft. Die Mitarbeiter allerdings wissen nur ein sehr trauriges Lied davon zu singen: Schlecht entlohnt und mit schlechten Arbeitsbedingungen bekommen sie von den Chefs erheblichen Druck.
Diese beiden Beispiele sollen keine Verbalattacken gegen Geistliche oder Unternehmer sein: Viele von ihnen meinen es ernst mit dem, was sie sagen. Vor allem zeigen sich viele christliche Unternehmer sehr verantwortungsvoll gegenüber allen Geschäftspartnern einschließlich ihrer Mitarbeiter und der Gesellschaft gegenüber. Doch wo es nur bei Worten bleibt und die entsprechenden Taten fehlen, da ist es nicht weit her mit der Liebe, und man macht sich unglaubwürdig, wenn man Wasser predigt und Wein trinkt. Wer glaubt schon dem Inhaber einer Großschlachterei, wenn er für eine vegane Lebensführung plädiert? Wer glaubt einem Schnapsbrenner, wenn er das Alkoholverbot fordert? Deshalb heißt es im ersten Johannesbrief Kapitel 3, Vers 18: "Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit."
Anders ausgedrückt: Man kann nicht "Ja" sagen und ein "Nein" tun. Wenn man ein Versprechen gibt, dann muss man es halten. Das hat mit der eigenen Seriösität und Glaubwürdigkeit zu tun, aber auch mit Respekt vor dem, welchem man das Versprechen gibt. Es geht dabei ja nicht nur um das Versprechen selbst, das nicht eingehalten wird, sondern auch darum, dass derjenige, der sich auf eine bestimmte Zusage verlässt, selbst unglaubwürdig wird. So hatte ich einmal einem Freund versprochen, ihm den liegen gebliebenen Wagen mit einem Anhänger zu holen, weil ich mich auf die Zusage eines Arbeitskollegen verlassen hatte, der mir versprach, mir seinen Hänger zur Verfügung zu stellen, doch er enttäuschte. Mir selbst war das peinlich, und mein Freund hatte einige Schwierigkeiten mehr zu bewältigen, weil auch er sich auf die Lösung seines Problems verlassen hatte. Meinem Arbeitskollegen sagte ich, dass ich ihm wohl kaum mehr vertrauen würde, denn ich möchte ja nicht selbst unzuverlässig werden, weil ich mich nicht auf andere verlassen kann.
Was bringt es denn einem Unternehmen, wenn es von Kundenorientierung spricht, sich aber von den Kunden gestört fühlt? Was bringt es denn, wenn eine Firma die Qualität seiner Produkte anpreist und nur Schrott liefert? - Wir als Christen sollten wissen, dass Eindeutigkeit der Worte mit der Eindeutigkeit der Handlungen einhergehen muss. Unser bestes Plädoyer für Aufrichtigkeit ist die eigene Wahrhaftigkeit und Geradlinigkeit. Wenn mein notleidender Nachbar bemerkt, dass sein Leid mir nicht egal ist, sondern ich mich bemühe, ihm so gut ich kann zu helfen, ist das die beste Predigt über Nächstenliebe.
Anders ausgedrückt: Es passt nicht zusammen, von Sanftmut zu sprechen und von Friedfertigkeit, wenn man selbst aggressiv ist und andauernd Streit anfängt. Von Vergebung zu reden macht auch nur dann Sinn, wenn man selbst zu vergeben bereit ist.
Die Arbeitsgemeinschaft Lebensrecht für Alle (ALfA) spricht sich nicht nur gegen Abtreibung in jeglicher Form aus, sondern hilft Müttern in Not- und Krisensituationen medizinisch, psychologisch und materiell. Hier passen Wort und Tat blendend überein, und es gibt sehr viele andere gute Beispiele, die ich bereits in anderen Predigten angeführt habe.
"Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel." So heißt es bei Matthäus Kapitel 5, Vers 37. Die Eindeutigkeit der Rede setzt immer auch die Eindeutigkeit des Handelns voraus. Wer Ja sagt, muss auch Ja tun, wer nein sagt, muss auch ein nein tun. Wer Ja sagt und ein Nein tut oder Nein sagt und ein Ja tut, macht sich selbst zum Narren, dem keiner wirklich vertraut. Auch wenn unser Ja bzw. unser Nein nicht oder zumindest nicht immer gut geheißen wird, so ist es doch nützlich, hier eindeutig und klar zu sein.
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