Der letzte Monat des Kirchenjahres beginnt mit dem Feiertag Allerheiligen, an dem in der katholischen Kirche aller derer gedacht wird, „die dem Vorbild Christi besonders gefolgt sind… und ein hervorragendes Zeugnis für das Himmelreich abgelegt haben“ (Ulrich Lüke). Über diesen zahlenmäßig begrenzten Personenkreis hinaus gibt es die unzählbare „Gemeinschaft der Heiligen“, derer Sonntag für Sonntag beim gemeinsamen Sprechen des apostolischen Glaubensbekenntnisses in den Gottesdiensten gedacht wird. Doch wer sind diese „Heiligen“?
Als „Heilige“ bezeichnete Menschen gab es schon im alten Israel. Sie waren weit davon entfernt, unfehlbar zu sein, aber sie hatten das Bestreben, eine besondere Beziehung zu Gott zu haben und diese durch ihre Herzensgesinnung zu leben. Das sollte nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten auch für die ganze Volksgemeinde gelten, und so legte Mose ihnen auf dem Weg ins „Gelobte Land“ die Leitlinien für das Leben in der neuen Heimat dar: „Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein!“ Doch im Verlauf der Geschichte des Volkes zeigte sich bald, dass es mit der kollektiven Heiligkeit nicht weit her war und die „Gottgefälligkeit“ sich immer mehr auf Einzelpersonen und Gruppierungen („die Heiligen“) verlagerte. Die allgemeine Lebensführung nach eigenem Gutdünken fand dagegen immer weitere Verbreitung, und so ruft der Schreiber von Psalm 12 mit wehem Herzen aus: „Hilf, Herr! Die Heiligen haben abgenommen, und gläubig sind nur wenige unter den Menschenkindern“. Die hiermit verbundene zunehmende Gottentfremdung zeitigte schwerwiegende Konsequenzen, und das besonders in der Zeit vor der Geburt Christi zu beklagende andere Extrem, die Gesetzlichkeit, bedrückte die Menschen über die Maßen. So erwuchs bei vielen ein Verlangen, das sich in dem alten Gebet „Herr, ich warte auf dein Heil!“ trefflich widerspiegelt.
Mit dem Kommen Jesu fand dieses „herzliche“ Verlangen seine erste große Erfüllung. Man denke hierbei an die große Freude bei dem greisen Simeon und der Prophetin Hanna angesichts des im Tempel dem Herrn „dargestellten“ Jesuskindes. Auf dessen Geburt hatten sie ein Leben lang sehnsüchtig gewartet, und zu ihm konnte Simon Petrus Jahrzehnte später sagen: “Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ Wer durch den Glauben an diesen „andockt“, zählt zu dem neuen „heiligen Volk“, das Petrus in seinem ersten Brief an christliche Gemeinden in der Diaspora anspricht, und damit zu der „Gemeinschaft der Heiligen“, die die „Gemeinde aus allen Völkern und Zeiten“ (aus einer alten kirchlichen Liturgie) bildet. Das geht auch daraus hervor, dass in einigen Briefen des Apostels Paulus an von ihm gegründete Gemeinden der Empfängerkreis mit „Heiligen“ gleichgesetzt wird (beispielsweise „An die Heiligen in Kolossä, die gläubigen Brüder [und Schwestern] in Christus“.
Zurück zur „Gemeinschaft der Heiligen“ im obengenannten apostolischen Glaubensbekenntnis. Sie steht dort in unmittelbarem Zusammenhang mit der „heiligen christlichen Kirche“, was ihre weltumspannende und konfessionsübergreifende Bedeutung unterstreicht.
Vielleicht ist „Allerheiligen“ am Anfang des Monats November ein guter Anlass, sich einmal der weltumspannenden Verbundenheit bewusst zu werden, die im apostolischen Glaubensbekenntnis mit „Gemeinschaft der Heiligen“ anklingt.
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