Paulus beschreibt sich selbst als den Gebundenen Christi Jesu, und er bezeichnet Timotheus als Bruder und Philemon als den Lieben und gemeinsamen Gehilfen; gleichzeitig erwähnt er Appia, die er als die Liebe bezeichnet und Archippus als Streitgenossen sowie die Gemeinde in Philemons Haus: Damit zeigt Paulus, dass er sich mit wiedergeborenen Christen verbunden fühlt. Sicher hat er nicht alle Mitgeschwister erwähnt, und ganz bestimmt hat er auch nicht alle Christen, die es während seiner Zeit gab, gekannt, doch aus diesen drei Versen seines Philemon-Briefes zeigt sich die tiefe Verbundenheit, die er zu allen Christen verspürte. Ganz sicher fühlten sich umgekehrt auch Timotheus, Philemon, Appia, Archippus und die Gemeinde in Philemon mit Paulus, aber auch untereinander herzlich verbunden.
Wenn man die anderen Briefe des Paulus liest, wenn man die Apostelgeschichte studiert, dann erfährt man ebenfalls von der herzlichen Verbundenheit untereinander. Paulus hat sich auch in einem seiner Briefe für die Sammlung und die Liebesgabe gegenüber der Gemeinde in Jerusalem bedankt, und aus der Apostelgeschichte erfahren wir, dass Reiche von ihrem Reichtum abgaben, damit ihre bedürftigen Geschwister auch das zum Leben Notwendige hatten. Jakobus, von dem wir ebenfalls einen Brief im Neuen Testament lesen dürfen, mahnte sogar zur tätigen Bruderliebe. Mahnt uns das nicht auch zur Solidarität untereinander?
Dabei geht es nicht allein darum, ob Mitgeschwister materielle Not leiden: Das gehört ganz sicher auch dazu und ist ein wichtiger Aspekt, aber nicht der einzige. Solidarität bedeutet auch, Zeit für seine Glaubensgeschwister zu haben. Vielleicht braucht ein Bruder oder eine Schwester einmal ein Gespräch oder jemanden, der einfach da ist in Zeiten der Trauer. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass allein schon das Wissen darum, Glaubensgeschwister anrufen zu können, wenn es einen seelisch schlecht geht, eine große Hilfe ist, auch wenn man den Anruf nicht tätigt. Wenn man jedoch weiß, dass man jederzeit anrufen kann, dann ist man allein dadurch schon gestärkt.
Doch auch Mithilfe z. B. bei einem Umzug, bei einer Renovierung sind gefragt. Oder man kann einem Glaubensbruder oder einer Glaubensschwester bei Behördengängen unterstützen. Mancher Ältere ist auch froh, wenn man ihm die Einkäufe abnimmt oder mit ihm zum Supermarkt fährt. Und warum nicht Glaubensgeschwister, die im Krankenhaus oder einem Pflegeheim sind, dort besuchen? Auch Zuhause sind einsame Glaubensgeschwister froh, wenn sie besucht oder einmal eingeladen werden.
Ebenso ist es wichtig, solidarisch in der Gemeinde zu sein: Es gibt immer etwas zu tun, sei es, dass Reparaturarbeiten anliegen, sei es, dass neue Technik installiert werden muss, sei es, dass man sauber macht, sei es, dass man sich im Chor oder in der Kinderbetreuung oder in der Jugendarbeit engagiert. Auch christliche Organisationen wie Open Doors brauchen unsere Unterstützung. Natürlich geht es hier unter anderem um die finanzielle Unterstützung, aber auch und vor allem um Gebet. Auch das Beten für die Bedürfnisse unserer Glaubensgeschwister ist ein Akt der Solidarität und unseres Verbundenseins in Christus Jesus.
Verbunden sein in Jesus Christus ist auch ein freudiges Ereignis. Ich habe im letzten Jahr einmal mit britischen Touristen in den Anlagen von Cochem gesprochen. Welche Freude war es, als wir erkannten, dass wir Glaubensgeschwister waren, über nationale Grenzen hinweg! Vor Jahren hatte ich ein gutes Gespräch mit einem Asiaten, der auch Christ ist. Wir unterhielten uns angeregt im Zug. Mit einer Christin sprach ich vor etwas über zwanzig Jahren in der Stuttgarter U-Bahn. Immer war es sehr herzlich. Schließlich haben wir einen Vater im Himmel und sind somit Geschwister. Und in gesunden Geschwisterkonstellationen hält man zusammen und fühlt sich miteinander verbunden.
|