Uns kann auffallen, dass eines unserer Glaubensgeschwister einen Fehler macht, sei es, dass er sich irgendwo irrt, sei es, dass er sich irgendwo falsch verhält oder sonst irgend etwas. Als Christen haben wir dann die geschwisterliche Pflicht, denjenigen darauf hinzuweisen, aber es geht dabei nicht darum, unserem Gegenüber einmal gehörig Bescheid zu sagen und dabei vielleicht auch noch unsere Frust über viele andere Dinge abzulassen, sondern darum, dass wir einander helfen, Jesus immer ähnlicher zu werden.
Dabei entsteht auch die Situation, dass ein Jüngerer einen Älteren auf einen solchen Fehler hinweist, denn Alter schützt vor Torheit nicht, und alt geworden zu sein ist nicht gleichbedeutend mit Vollkommenheit. Allerdings muss der Respekt vor der Würde des Alters gewahrt werden. Man soll deshalb die älteren Glaubensgeschwistern so behandeln wie einen Vater oder eine Mutter. Man würde ja auch zu seinen Eltern sagen: "Du Vater, du Mutter: Da finde ich etwas nicht so ganz richtig." Oder: "Schau mal: Hier gibt ein Bibelausleger folgende Gedanken ..."
In den oben zitierten Versen bekommen wir Älteren aber auch zwei wichtige Hinweise, und wir tun gut daran, sie zu beherzigen:
1. Auch Jüngeren kann etwas auffallen, was bei uns nicht ganz stimmig ist. Es hat nichts mit Respektlosigkeit oder jugendlichem Leichtsinn oder Widerspruchsgeist zu tun, wenn ein Jüngerer sagt, dass er hier oder da etwas nicht ganz richtig ist. Nehmen wir mal das Beispiel Computeranwendungen. Hier sind ja Jugendliche oft sehr fit. Mir hat ein 16-jähriger gezeigt, wie man Bilder von einer Speicherkarte auf den Computer hoch lädt. Im Glaubensleben kann ein Jugendlicher ebenfalls etwas wissen, was wir als Ältere noch nicht erkannt haben oder ihnen ist ein Fehler, vielleicht eine schlechte Angewohnheit, aufgefallen. Vielleicht ist es auch die Frage: "Ich habe an deinen Ausführungen etwas nicht verstanden" für uns zugleich der Hinweis, dass wir uns vielleicht etwas einfacher und / oder etwas präziser ausdrücken sollten.
2. Mit zunehmenden Alter steigt zwangsläufig auch die Erfahrung. Das heißt: Wir lernen dazu, wir haben mehr Übung, wir haben Krisen im Leben bewältigen und Schwierigkeiten lösen müssen. Deshalb können wir entsprechend unsere Erfahrungen weiter geben an die Jüngeren: Es ist nicht notwendig, dass man das Rad wieder und immer wieder erfindet, sondern es ist gut, wenn wir Jüngeren zeigen, wie etwas geht, wie man etwas macht, wie man am Besten mit bestimmten Situationen umgeht. Doch dabei dürfen wir nicht hochtragend und überheblich sein. Mir selbst hat es als Kind, als Jugendlichen, als jungen Erwachsenen immer weh getan, wenn Ältere mich spüren ließen, dass sie sich überlegen fühlten und mich nicht oder zumindest nicht ganz ernst nahmen. Diejenigen aber, die mich beiseite nahmen und sagten: "Junge, nur mit der Ruhe, ich erkläre dir das, ich mache es dir mal vor, wir üben das gemeinsam, dann packst du das" machten mir Mut und mich auch viel offener für das, was sie mir sagten. Von ihnen habe ich gelernt, einen guten Rat anzunehmen.
Das bedeutet: Wir sollen in jungen Leuten keine kleinen dummen Kinder sehen, die man nicht ernst zu nehmen braucht. Für junge Leute ist es wesentlich leichter, den Rat eines Älteren anzunehmen, wenn sie merken, dass sie ernst genommen werden. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass wir selbst nicht vollkommen sind und dass wir auch jung waren und nicht den Erfahrungsschatz hatten, den wir heute zu eigen haben. Einfach ausgedrückt: Wir alle mussten laufen lernen und sind dabei hingefallen. Wir alle mussten reden lernen und hatten dabei unsere Schwierigkeiten. Selbst Goethe und Schiller mussten erst lesen und schreiben lernen, bevor sie zu unseren Dichterfürsten geworden sind.
Es kommt aber auch vor - und das wird die Regel sein -, dass wir sehen, wie Gleichaltrige Fehler machen, sich irren, auf dem Holzweg sind. Sicher: Wir können uns verhalten wie die Petze in der Schule, die sich die Hände reibt und zu der Leitung läuft nach dem Motto: "Herr Lehrer, Herr Lehrer: Ich weiß was." Das bringt die Betreffenden oft in eine peinliche Situation. Wem das passiert, ist dann für Kritik weitaus weniger empfänglich, so berechtigt sie auch sein mag und so einsichtig er auch ist. Viel besser dagegen ist es, den Betreffenden darauf hinzuweisen wie einen Bruder, wie eine Schwester. Diese behandelt man ja auch liebevoll.
Bei allem, was wir vorzubringen haben, sollen wir uns also die Liebe leiten lassen, die Jesus vorgebracht hat. Wer das neue Testament liest, wird dabei von Jesus lernen können. Er hat uns gezeigt, wie man Menschen hinweist, dass sie ihre Fehler, ihre Sünden lassen sollten. Vielleicht hilft es uns auch, wenn wir dem Anderen durch ein Gleichnis das Verständnis öffnen oder wenn wir es gemeinsam üben. Und manchmal können wir eine Brücke schlagen. Vielleicht ist ein Junge oder ein Mädchen schlecht in Musik: Da kann vielleicht das Mit tun in einer Chorprobe helfen. Vielleicht tut sich ein Älterer schwer, die Jugend von heute zu verstehen. Vielleicht kann man ihn in die Jugendgruppe einladen, um dann gemeinsam einfach nur zu plaudern. Oft sind wir erstaunt, dass es da mehr Schnittmengen gibt als wir erahnen können.
Wichtig aber ist immer das Vorbild Jesu!
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