Es ist wirklich leicht, seinen Glauben auszuleben, wenn alles glatt läuft, wenn man sich keine Sorgen zu machen braucht, wenn die Stelle sicher ist, wenn auch im Privatleben im Großen und Ganzen alles harmonisch verläuft und wenn man angesehen, geachtet und beliebt ist. Doch niemand hat das Glück auf Dauer gepachtet, und niemand bleibt von mehr oder weniger harten Schicksalsschlägen verschont: Immer wieder erleben wir, wie wir betrogen oder verleumdet werden. Vielleicht verklagt uns ein Nachbar, vielleicht gibt es am Arbeitsplatz Ärger, vielleicht werden wir sogar arbeitslos und müssen eventuell von Hartz IV leben. Ganz sicher treffen uns Trauerfälle, und in der Regel haben wir solche schon hinter uns. Das sind die Zeiten der Not, in der ersichtlich wird, ob wir stark sind. Wer nicht in der Not fest ist, der ist nicht wirklich stark.
Wenn es drunter und drüber geht, wenn nichts mehr zu gelingen scheint, wenn sich die Probleme türmen, dann zweifelt man an seinem Glauben und denkt, Gott habe einen verlassen: Oft klagt man Ihn sogar an. Auch Hiob musste durch diese harte Schule gehen, und auch er - obwohl für seine Gottesfurcht und die damit verbundene Gerechtigkeit sehr bekannt - haderte mit Gott. Schließlich hatte er nicht nur sein ganzes Vermögen verloren, sondern auch alle seine Kinder, alle sieben Söhne und alle drei Töchter. So etwas ist schon ein außergewöhnlich hartes Los. Am Ende aber erkannte Hiob, dass man Gott nicht anklagen darf; damit öffnete er sich wieder dem Segen Gottes.
Zeiten der Not - ohne das Leid beschönigen zu wollen - sind aber oft Zeiten, in denen wir herausgefordert sind und in denen wir einüben können, nicht bloß Schönwetter-Christen zu sein, sondern den Glauben auch und gerade in Krisenzeiten zu bewahren. Schließlich ist es schön, sich draußen aufzuhalten, solange die Sonne scheint und es warm und angenehm ist. Bei Regen und Sturm bedarf es schon der Stärke und der Selbstdisziplin, die notwendigen Außenaufenthalte auf sich zu nehmen. So lernen wir in den stürmischen Zeiten unseres Lebens, uns fester zu machen in Gott und IHM tiefer zu vertrauen. Bewährt sich hierin unser Glaube, dann ist er echt und wird geläutert.
Notzeiten sind zugleich Zeiten, in denen Gott unseren Charakter veredeln möchte: Wer selbst durch Leid gegangen ist, wird sensibler für das Leid anderer Menschen und ist eher hilfsbereit. In der Not erkennen wir auch, dass nicht alles davon abhängt, ob wir gesund und reich sind, sondern wir werden dankbar für das, was wir haben. Das, was uns oft als selbstverständlich erscheint, ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen dieser Welt gehen viele Kilometer durch Hitze und Staub, um an Wasser zu kommen, das nicht einmal sauber ist, während wir nur den Hahn aufdrehen müssen, um an sauberes Trinkwasser in höchster Qualität zu kommen. Selbst in Deutschland gibt es Kinder, deren Eltern in derartigen Notsituationen sind, dass sie ihnen nicht einmal ein warmes Essen anbieten können, und die Schlangen an den Tafeln und Suppenküchen werden immer länger: Dabei handelt es sich bei Weitem nicht mehr um die traditionellen Randgruppen, es trifft auch die Mitte unserer Gesellschaft und auch diejenigen, die von ihrem Vollzeitarbeitsplatz nicht mehr leben können. Auch hier wird Stärke abverlangt.
Auch ich habe Krisenzeiten hinter mich gebracht, und ich war froh, dass ich nur für mich die Verantwortung hatte. Dennoch kann ich sagen, dass mich diese Zeiten voran gebracht haben: Not macht schließlich erfinderisch und fördert somit die Kreativität, die man in jedem Fall in Arbeit und im Privatleben brauchen kann. Ich bin dankbarer geworden und habe bemerkt, dass man nicht dies und jenes haben muss, um wirklich glücklich und zufrieden zu sein. Wirklichen Frieden gibt uns ohnehin nur Gott. Mein Vertrauen in Ihn ist grösser geworden, hat Er mich doch durch getragen, und ich bin dankbar für die Wolken und den Schmetterling, die alle Seine Größe unter Beweis stellen.
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