Wie wir im ersten Kapitel, erster Abschnitt des Hiobbuches nachlesen können, war Hiob ein gottesfürchtiger und zugleich reicher Mann. Aus dem ganzen ersten Kapitel wird ersichtlich, dass Hiob Brandopfer darbrachte, weil seine Söhne gesündigt haben könnten; er wollte also dem Herrn aus Liebe zu Ihm gefallen. Wenn wir das Hiobbuch in seiner Gänze durchlesen, so erfahren wir, dass sich Hiob den Witwen und Waisen als Wohltäter erwies und niemand, der hungrig war, ohne Nahrung von Hiob wegging. Den Fremden gewährte Hiob selbstverständlich Obdach: Gastfreundschaft war und ist im Nahen Osten seit jeher ein hoher, ethischer Wert, der nicht nur Großzügigkeit, sondern auch den Schutz des Gastes durch die gesamte Familie mit einschließt.
Das rief natürlich den Teufel auf den Plan: Gottesfurcht und der Glaube an den Herrn, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Geradlinigkeit wie das gesamte Halten der biblischen Gebote sind dem Teufel ein Gräuel. Deshalb wollte der Teufel, dass Hiob vom Glauben abfallen sollte. Weil der Teufel einst als Luzifer der mächtigste und schönste Engel war, der direkt vor dem Thron Gottes seinen Dienst versah, hatte er noch Zugang zum Himmel und deutete Gott an, dass Hiob ganz sicherlich im wahrsten und buchstäblichsten Sinne vom Glauben abfallen würde, wenn ihm der Segen Gottes entzogen werden würde. Gott ließ es zu unter der Bedingung, dass Hiob am Leben bliebe.
Und Hiob wurde gebeutelt: Seine Kinder starben, doch Hiob blieb fest im Glauben und sagte: "Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen ; der Name des HERRN sei gelobt! – In diesem allen sündigte Hiob nicht und tat nichts Törichtes wider Gott." (Hiob 1,21-22) Selbst der schwere Verlust seiner Kinder veranlasste Hiob nicht, an Gott zu zweifeln.
Doch es kam noch schlimmer: Hiob erkrankte am Aussatz. Seine Frau verstand die Frömmigkeit Hiobs nicht und verlangte, dass Hiob von seiner Frömmigkeit abschwor, doch Hiob antwortete nur: "Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. (Hiob 2,10).
Damit war Hiob ebenfalls vorbildlich im Glauben: Nicht nur das Gute aus Gottes Hand gilt es dankbar anzunehmen, sondern es heißt auch, in schweren Zeiten standhaft im Glauben zu sein. Christen in Verfolgung haben diese Standhaftigkeit mit ihrem Leben bezahlt, sodass sich der Glaube im Römischen Reich bis nach Europa und zu uns ausbreiten konnte. Trotz Verfolgungen bleiben Christen in der arabischen Welt ihrem Glauben treu, und allen Widernissen und Verfolgungen in China zum Trotz wachsen dort die christlichen Gemeinden. Selbst in Kuba wachsen christliche Gemeinden gegen alle Repressalien; sogar ein Sohn des einstigen Machthabers Fidel Castro wurde gläubig. Sind wir, die wir weitaus kleinere Probleme und Prüfungen durchzustehen haben, ebenfalls standhaft im Glauben? Sollten wir uns an Hiob und an den Christen in der Verfolgung nicht ein Beispiel nehmen.
Aber selbst einem glaubensstarken Mann wie Hiob wurde es einmal zuviel. Als seine drei Freunde kamen, verfluchte er den Tag seiner Geburt. Hiob begann, sich selbst zu bedauern und haderte mit Gott; er verfluchte sogar den Tag seiner Geburt. Das kann ich sogar gut verstehen: Wenn einem alles zuviel zu werden scheint, dann fragt man sich, wozu man eigentlich lebt, worin der Sinn der eigenen Existenz liegt und wünscht sich oft, gar nicht geboren zu sein. Auch ich dachte manchmal, dass es besser gewesen wäre, ich sei nicht geboren oder zumindest im frühen Kindesalter gestorben: Viel Leid wäre mir erspart geblieben, und Andere hätten dann an meiner eigenen Verdorbenheit nicht zu leiden gehabt.
Doch solche Gedanken greifen viel zu kurz. Gott, der alle Details kennt, der nicht nur das Große, Ganze im Auge hat, sondern selbst die allerkleinste Kleinigkeit nicht übersieht, weiß, was Er uns zumuten kann; niemals werden wir über unsere Kräfte versucht, niemals müssen wir fürchten, unter der uns aufgelegten Last völlig zu zerbrechen. Und Manches läßt Er zu, um uns auf Wege zu führen, die wir sonst nicht gegangen wären. Wäre ich z. B. nicht in die Langzeitarbeitslosigkeit gerutscht, dann wäre ich nicht in die verschiedenen Maßnahmen gekommen und wäre dann nicht den Menschen begegnet, denen ich dann die Frohe Botschaft habe erzählen können. Ganz gleich, ob wir ziemlich weit oben oder ziemlich weit unten sind: Gott kann uns immer gebrauchen, und durch Ihn sind wir wie ein Stein, der ins Wasser fällt; wir ziehen für Ihn Kreise, wenn wir uns nur gebrauchen lassen.
Hiob in seiner Verzweiflung klagt Gott an, auch wenn er in Kapitel 19, Vers 25, erkennt: "Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben." Wissen wir, dass unser Erlöser, der Herr Jesus, lebt? Sind wir uns bewusst, dass Jesus nicht bei den Toten geblieben, Sein Körper nicht der Verwesung anheim gefallen ist, sondern dass Er im wahrsten und buchstäblichsten Sinne des Wortes Tod und Teufel überwunden hat? Mögen die Prüfungen, die auf uns lasten, noch so schwer sein und uns an den äußersten Rand unserer Belastbarkeit bringen, so dürfen wir all unser Leid Jesu zu Füßen legen. Wir dürfen uns sicher sein, dass Er uns erhört, dass Er uns wohlgesonnen ist und uns in Seiner Allmächtigkeit immer helfen kann und helfen wird. Er verhindert z. B. nicht unbedingt Krankheit und Arbeitslosigkeit, Not, Sorge und Leid, aber Er trägt durch. Wie im Gedicht "Spuren im Sand" werden wir eines Tages zurückschauen und sehen, wie oft der Herr uns getragen hat, wenn wir selbst unter der Last unseres Leidens nicht mehr selbst zu gehen in der Lage waren.
Hiob, der in seinem Leid Gott anklagte und Ihn zu richten versuchte, erkannte am Ende, dass Gott niemals Unrecht tut, dass Er der Mächtige ist und mit und in Seiner Majestät über allem steht. Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde lässt sich nicht auf die Anklagebank setzen und sich von Seinen Geschöpfen richten. Der Gedanke, Gott verklagen und verantwortlich für alles Schlechte machen zu können, ist aufgrund Seiner Heiligkeit schlicht und ergreifend absurd, und diese Absurdität wird dadurch abgerundet, dass wir Menschen, solange es uns gut geht, selten nach Gott fragen, Seinen Willen mit Füßen treten, Ihn aber quasi als eine Art Feuerwehrmann sehen, der uns gefälligst aus unserer selbst verschuldeten Misere heraus holen soll.
Am Ende bereut Hiob seine Anklagen gegen Gott und tut Buße; er demütigt sich vor dem Herrn und bekennt seine Schuld, sein Versagen. Damit kehrt er wieder zurück in den Glauben, der ihn so viele Jahre zuvor durchgetragen hat. Gott segnet Hiob deshalb mit einem noch größeren Reichtum als er bisher gesehen hat und schenkt ihm erneut Kinder, die Hiob wachsen und gedeihen sieht. Ja, Hiob sieht auch noch seine Enkel groß werden und stirbt alt und lebenssatt in einem tiefen Gottvertrauen.
Falls wir vielleicht abgefallen sind, dürfen wir zu Gott zurück kehren wie einst Hiob: Gott verspricht uns hier auf der Erde zwar keinen großen Reichtum; mancher wird vielleicht rein äußerlich noch ärmer sein. Gott gab uns kein Wohlstandsevangelium für diese Welt, denn sonst würden alle Christen mit dem Rolls Royce zum Gottesdienst kommen können. Wenn Gott uns mit irdischen Wohltaten überreich segnet, dann sollen wir als Seine Haushalter damit gut umgehen und teilen. Wenn Gott uns wenig zuteilt, dann sollen wir auch dafür danken und damit das tun, wozu wir beauftragt sind. Es ist vollkommen gleich, wie arm oder reich wir hier auf der Erde sind: Gott trägt uns durch und versorgt uns mit allem, was wir brauchen. Und wenn wir hier auf der Erde treu wandeln, dann haben wir bereits einen Reichtum, wie sie die Erde nicht kennt. Der Friede Christi, der in uns ist, lässt uns in Vielem ruhiger werden. Die Gewissheit, dass wir nicht verloren sind, das Wissen, dass unser Erlöser lebt, macht uns stärker und belastbarer.
Am Ende unseres Weges werden wir vor Jesus stehen, der uns sagen wird: "Gut gemacht, du treuer Knecht: Kehre ein zur Freude des Herrn!" (vgl. Matthäus 25,21). Dann werden wir in Seinem Königreich sein, und die Schätze, die wir im Himmel haben, werden weitaus mehr wert sein als alle Schätze dieser Welt zusammen. Selbst alle Reiche dieser Welt sind allenfalls ein fahler, schattiger und trüber Abglanz unseres Reichtums im Himmel. Gegen uns werden die reichsten Menschen der Weltgeschichte wie Rockefeller oder Onassis die ärmsten Schlucker sein. Und darauf kommt es an: Dass wir einmal Gott in Seinem Reich sehen werden von Angesicht zu Angesicht. Auch Hiob erkannte das und setzte letztendlich seine Hoffnung nicht auf äußerlichen Reichtum, nein, er wusste sich ganz und gar abhängig von der Güte Gottes. Nehmen wir an dieser Haltung uns ein Beispiel.
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