Die Opfergesetze im Judentum sind ausführlich beschrieben und beinhalten jedes Detail, damit die Opfer Gott gefallen und für Ihn ein lieblicher Geruch sind; sie sollen dafür sorgen, dass hier zum Einen kein Streit darüber entsteht, wie es wirklich sein soll, es soll also vermieden werden, dass unterschiedliche Lehrmeinungen die Menschen verwirren, zum Anderen aber auch, dass mit dem Opfern kein Schindluder getrieben wird, also dass nicht etwas geschieht, womit sich die Priester unrechtmäßig bereichern oder dass irgend etwas geopfert wird, dass man nur möglichst günstig entsorgen will.
Gott weiß aber auch, dass die Priester ihren Lebensunterhalt benötigen, um ihre Arbeit tun zu können. Niemand kann von Ehre leben. Und Gott zeigt hiermit auch, dass man den, der arbeitet, auch von seiner Arbeit leben lassen soll. Das ist die Sünde unserer Tage, in denen Bewerber zu unbezahlten Praktika gezwungen werden; längst gibt es den Begriff "Generation Praktikum". Nach Gottes Willen ist das jedenfalls nicht.
Aaron und seine Söhne, die die Priesterschaft stellten, durften sich einen Teil des Speisopfers für ihren Lebensunterhalt nehmen. Es war der Lohn für ihre Arbeit im Tempel. Dadurch konnten sie sich ganz dem Tempeldienst widmen und eine vernünftige Arbeit tun ohne die Sorge haben zu müssen: "Wovon lebe ich?" Das hielt sie auch davon ab, sich in die Abhängigkeit von Spendern zu geben und Reiche zu bevorzugen.
Auch bei den Speisopfern geben die mosaischen Opfergesetze genaue Anweisungen darüber, wie die Speisen zubereitet werden sollen. Diese Vorgaben hielten die Menschen davon ab zu schludern. Es wurden also keine Speisopfer abgegeben, die missglückten und deshalb in den Tempel gebracht wurden, weil man sie keinem vorsetzen wollte. Als Menschen sind wir leicht versucht, uns immer irgendwie durchzumogeln, aber Gott möchte nicht unsere Mogeleien, sondern unser ehrliches, aufrichtiges Herz, unseren ungeteilten Dienst, unsere wirkliche Liebe. Es wäre ja auch lieblos, wenn wir einem Gast, der bei uns zu Tische sitzt, das angebrannte Steak zu reichen oder den Kaffee einzuschenken, der eigentlich zu stark oder schon abgestanden ist. Das wäre ja auch die Botschaft: "Komm bloß niemals wieder!"
Gottes detaillierte und oft strengen Anweisungen sollen uns nicht einengen, aber sie sollen uns zeigen, dass wir stets eine möglichst gute Arbeit machen sollen. Dass Vieles schief geht, hängt ja weniger davon ab, dass wir große Fehler begehen, sondern wird vielmehr dadurch verursacht, dass wir nicht auf Kleinigkeiten achten. Experten, die Unfälle untersuchen, stellen immer wieder fest, dass es zu einer falschen Routine kommt, die unvorsichtig macht. Mancher schnitt sich mit der Kettensäge in sein Bein und verletzte sich dadurch schwer, weil er durch Routine einige Sicherheitsvorkehrungen unterließ.
Natürlich sollen wir keine kleinkarierten Paragraphenhengste sein wie einst die Pharisäer: Spießbürgertum und Kleinkariertheit laufen Gott zuwider, und Er gab uns einen Verstand, damit wir die Prioritäten richtig setzen können. Es macht schließlich einen Unterschied, ob ich am Sonntag statt in die Kirche zu gehen im Sanitätsdienst beschäftigt bin, um Notfälle zu versorgen oder ob ich als Ladenbesitzer durch verkaufsoffene Sonntage lediglich meine Gewinne maximieren möchte. Dennoch ist es wichtig, die Details im Auge zu haben. Bei der Bundeswehr wird man gerade an den Waffen mit äußerster Gründlichkeit ausgebildet, damit möglichst kein Unfall passiert; man übt "Kleinigkeiten" ein, um sie wie im Schlaf zu beherrschen: Es soll in Fleisch und Blut übergehen.
So ähnlich möchte das Gott auch mit seinen detaillierten Speisopfernvorschriften: Uns soll es in Fleisch und Blut übergehen, für Gott das Beste zu geben, Ihn wirklich aus ganzer Kraft, aus ganzer Seele, aus ganzem Gemüt und mit ganzer Seele zu lieben. Auch im Glaubensleben wird man nur durch ständige Übung zum Meister. Unsere Gebete werden um so besser, je mehr wir daran üben. Große Pianisten, große Sänger, große Schauspieler, große Maler haben gerade im Alter ihre besten Leistungen gehabt, weil sie da die meiste Übung hatten. Deshalb gelang es Beethoven gerade in seinen späten Jahren der Welt großartige Kompositionen zu schenken, obwohl er da bereits taub war. Die Übung hatte ihn das ermöglicht.
Üben wir die Gottes- und Menschenliebe ein, in dem wir Gottes gute Gebote achten, dann erleben wir, dass uns dies immer leichter fällt. Aller Anfang ist auch hier schwer: Nach meiner Bekehrung war Vieles für mich verwirrend. Es war so wie am Beginn einer Ausbildung: Erst scheint uns Vieles chaotisch, verwirrend, undurchschaubar, nebulös. Dann aber, wenn wir beginnen, die Zusammenhänge zu verstehen und verknüpfen zu können, geht es uns leicht von der Hand. Wer anfängt, im Zehn-Finger-System blind zu schreiben, für den ist dies zuerst ein schwieriges Unterfangen; später tippt er dann locker 200 Anschläge die Minute, und diejenigen, die tagtäglich mit der Computertastatur als Sekretäre schreiben, kommen im Schnitt auf 500 Anschläge die Minute. Will sagen: Unser Glaubensleben ist anfangs auch schwerer als hinterher. Genauso, wie die Opfervorschriften den Hebräern in Fleisch und Blut übergingen, geht uns auch die Mission in Fleisch und Blut über, wenn wir täglich üben.
Dieses Kapitel macht mir auch klar, dass man nicht Schludern darf, dass man nicht mit einer "Ist-mir-doch-egal"-Einstellung Gott dienen kann. Gleichgültigkeit rechnet sich nicht, sondern treibt in den Ruin. Eine gründliche Arbeit mag den Anschein erwecken, dass sie zu viel Zeit braucht, aber wer sich einmal mit Reklamationen auseinander setzen musste, der weiß, dass man durch eine gründliche Arbeit viel Zeit spart, vor allem aber Ärger. Wenn wir Gott unser Bestes geben, wenn wir auf die Details achten, dann geht es bei uns in Fleisch und Blut über. Untersuchungen haben ergeben, dass Christen sehr gute Mitarbeiter sind; das hängt damit zusammen, dass sie sich angewöhnt haben, alles zu beachten und ihr Bestes zu geben, denn sie sehen ihre Arbeit als einen Beitrag zur Ehre Gottes an.
Um die Ehre Gottes geht es immer und immer wieder, auch bei dem Speisopfer. Wenn für uns das Speisopfer auch nicht mehr aktuell sein mag, so zeigt es uns doch, dass wir nicht einfach irgend etwas geben, sondern dass wir es mit liebenden Herzen geben.
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