Im ersten Vers beschreibt der Prediger Salomo, dass Gerechte und Weise und ihr Tun in Gottes Hand liegen, ebenso wie Liebe und Hass. Das scheint bei rein oberflächlicher Betrachtung lähmend, weil es uns scheinbar zur Passivität verurteilt. Dabei spricht hieraus sehr viel Gnade: Die Tatsache, dass Gerechte und Weise in Seiner Hand sind, zeigt, dass Gott sie schützt und ihr Tun leitet. Was gibt es Besseres als unter Gottes Schutz zu stehen, von Ihm geführt zu werden und zu wissen, dass unser Ein- und unser Ausgang in Seiner Hand liegen? Wir können getrost sein und brauchen uns nicht zu fürchten.
Sicher: In dieser Welt geht es dem Gerechten wie dem Gottlosen, dem Guten und Reinen wie dem Unreinen. Es geht dem Guten wie dem Sünder. Oft ist es sogar so, dass es den Sündern besser zu gehen scheint, dass der Böse mehr Erfolg hat, dass der Betrüger materiell gesegneter ist. Das Leben scheint dem Buchtitel "Der Ehrliche ist der Dumme" recht zu geben. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass wir eines Tages sterben müssen und uns dann vor Gericht verantworten müssen, so, wie uns der Schreiber im Hebräerbrief 9, 27 warnt.
Doch trotz der Tatsache, dass wir eines Tages sterben müssen, brauchen wir nicht aufzugeben, nicht zu denken, alles sei sinnlos. Gerade in der heutigen, materialistischen Zeit, in der die Menschen ausschließlich auf das Diesseits ausgerichtet sind, meinen Viele, mit dem Tod sei eh alles aus; es gibt jedoch ein Danach. Vor allem hilft uns das Lähmende nicht. Der Prediger sagt uns, dass ein lebendiger Hund besser ist als ein toter Löwe. Ein lebendiger Hund kann noch wachen, man kann ihn ggf. zum Schafe hüten einsetzen oder für andere sinnvolle Tätigkeiten.
So ist es mit uns: Wir können etwas bewirken mit unserem Tun, wir sind handlungsfähig. Dabei kommt es nicht auf große Heldentaten an; dazu sind ohnehin die Wenigsten berufen. Es geht auch nicht um spektakuläre Dinge, die eine gute PR einbringen, sondern um ganz alltägliche Sachen, die zusammen genommen eine äußerst große Wirkung haben. Dem, der hinter uns hergeht, die Tür aufzuhalten, als den Knigge auswendig zu kennen. Eine gute Tat - und sei sie auch noch so bedeutungslos - bringt mehr als alle guten Vorsätze zusammen, wenn diese nur Theorie bleiben. Es geht darum, dass zu tun, was in unserer Kraft, was in unserer Macht steht. Über unser Können hinaus sind wir nicht verpflichtet. Wir können das Brot, das wir nicht haben, auch nicht teilen. Wir können aber die Mittel und die Möglichkeiten, die in unserer Hand sind, nutzen.
Wenn wir dies tun, dann können wir unser Brot mit Freuden essen, dann können wir guten Mutes sein, dann können wir auch unser Trinken genießen. Gott verlangt von uns keine Trauermine, wir müssen nicht mit einem permanent traurigen Gesicht herum laufen als wären wir in der tiefsten Hölle. Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt, dass mehr Menschen an das Evangelium glauben würden, wenn die Christen erlöster aussähen. Daran ist sehr viel Wahres.
Wir können Gott auch nicht wirklich dankbar sein, wenn wir uns nicht an Seinen Gaben erfreuen. Wenn wir alles negativ sehen, dann machen wir uns selbst nur fertig. So geht es einem meiner Bekannten, der selbst auch mal bessere Zeiten gesehen hat und sich einen schönen Wagen und ausgedehnte Urlaube leisten konnte, Dinge, die ihm heute nicht mehr möglich sind. Statt sich zu freuen, einige Länder gesehen zu haben, beklagt er, dass er jetzt nicht mehr verreisen kann. Das löst bei ihm Traurigkeit und Weltschmerz aus, die ihn auch das Gute, das er immer noch hat, übersehen lässt.
Wer sich dagegen an dem freut, was er hat, der geht auch freundlicher und besser mit seinen Mitmenschen um und wirkt sympathischer. Ich erinnere mich an einen Jungen, der etwa 15 Jahre alt war und im Rollstuhl sitzen musste; dennoch wirkte er ausgesprochen fröhlich und lächelte sehr viel. An seiner Einstellung habe ich mir ein Beispiel genommen; er sagte nämlich: "Ich kann auch ständig heulen und mir selbst leid tun; dann aber habe ich ein unfreundliches Gesicht. Da freue ich mich lieber, dass Menschen mir helfen, dass ich Freunde habe. Wenn ich Hilfe brauche, dann helfen die Leute mir doch lieber, wenn ich freundlich reinschaue als wenn ich als finster reingucke."
Freude: Oft haben wir wirklich nur die ganz kleinen Dinge, an denen wir uns freuen können. Aber bedeutet, viel zu haben, wirklich zugleich automatisch viel Freude? Ein Witz macht das sehr deutlich, in dem ein Lottomillionär sagt: "Jetzt kann ich mir Kaviar bis zum Abwinken leisten, aber er schmeckt mir nicht." - Ein Star der Stummfilmzeit sagte einmal: "Man muss sich seinen Hunger auf Bratkartoffeln bewahren."
Ich freue mich, dass ich Wasser habe statt mich darüber zu ärgern, keinen Eiswein im Keller zu haben: Wasser löscht meinen Durst, der Eiswein nicht. Ich freue mich, dass ich mir die Grundnahrungsmittel kaufen kann: Mit Edelpilzen, Hummer und Kaviar bekommt man kaum seinen Hunger gestillt.
Wir haben also immer auch Gründe, uns zu freuen. Weil ich mich freue, ein Dach über den Kopf zu haben und ein Bett, in das ich meine müden Glieder legen kann, habe ich innerlich mehr Ruhe und bin dann nicht eifersüchtig auf den, der sich eine Villa leisten kann. Sie sei ihm auch vergönnt. Ich bin einfach vergnügt und freue mich an dem, was ich habe. Diese Fröhlichkeit hat mir auch sehr viele schöne Gespräche geschenkt. Womit einmal mehr bewiesen ist, wie recht Gott doch hat.
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