Als die Hebräer das ihnen von Gott verheißene Land einnahmen, waren einige Männer und Stämme sehr zögerlich: Sie hatten Angst vor der Übermacht der anderen Völker, die ihnen nicht nur zahlenmäßig überlegen waren, sondern auch über gut ausgebildete, gut ausgerüstete und gut strukturierte Heere verfügten. In der damaligen Zeit waren die Heere auch kriegserprobt, wussten also sehr genau, was in einer Schlacht auf sie zukam, und sie hatten es gelernt, damit umzugehen. Für ein Volk, das noch nomadisierend und der Sklaverei entflohen war, war dies natürlich eine große Herausforderung.
Aber sie hatten Gott, und zwar den lebendigen Gott, der ihnen gezeigt und bewiesen hat, dass Er mächtiger ist als alle Menschen, Völker und Mächte zusammen. Er hatte sie nicht nur aus der Sklaverei Ägyptens befreit, dem mächtigsten Reich der damaligen Welt, Er hatte auch das mächtige Heer in den Fluten des Roten Meeres ertränkt und alle Götter Ägyptens vom Sockel gestoßen und gezeigt, dass die toten Götzen nichts ausrichten konnten und können. In den vierzig Jahren der Wüstenwanderung, der durch den Ungehorsam des jüdischen Volkes hervorgerufen wurde, war Gott stets auf ihrer Seite: Weder Schuhe noch Kleidung nutzten sich ab, und Gott versorgte sie stets mit Nahrung und Wasser. Dort, wo sie auf Feinde trafen, schenkte der Herr ihnen den Sieg. Dennoch waren sie zögerlich.
Wir sind da auch um keinen Deut besser: Wir zögern in der Reich-Gottes-Arbeit, und wie oft geben wir ein Traktat nicht weiter, weil wir den Spott fürchten? Ich gebe zu, dass ich hier aus eigener Erfahrung spreche, dass ich hier mir selbst den Spiegel vor das Gesicht halten muss und hier der Vergebung und der Gnade zur Veränderung durch Christus Jesus bedarf. Ich habe kein Problem damit, einen lockeren Spruch los zu werden, während ich mir gleichzeitig oft verkneife, über den Herrn zu sprechen, obwohl Mission eigentlich und auch uneigentlich mein Lieblingsthema ist. Umgekehrt wäre es besser: Ich sollte mir lieber manchen Spruch verkneifen, dafür aber etwas vom Herren sagen. Mit einer schüchternen und zurückhaltenden Art kann ich mich dabei wirklich nicht entschuldigen. Wenn man schon wie ich ein selten still stehendes Mundwerk hat, dann sollte man es wenigstens für Jesus nutzen.
Doch auch anderswo kann ich froh sein, dass man in der Reich-Gottes-Arbeit keinen Akkordlohn bekommt: Würde mich Jesus nach Leistung bezahlen - und ich könnte auch da wirklich froh sein, dass Er die Bezahlung nicht nach meinen Fehlleistungen ausrichtet, denn dann sähe ich noch wesentlich älter aus! -, dann müsste ich noch Geld mitbringen. Gelegenheiten, etwas für Gott zu tun, habe ich genug. Und doch lasse ich Manches liegen. Dabei weiß ich, dass ich dadurch schuldig werde, denn bei Gott ist man nicht nur verantwortlich für das, was man tut, sondern auch für die Dinge, die man lässt.
Dabei erledigt sich keine Arbeit von selbst. Es bringt auch niemanden die Feststellung weiter, dass man eigentlich die Ärmel hochkrempeln sollte. Das erinnert mich an eine Geschichte von Heinrich Böll, die der berühmte Autor "Es muss etwas geschehen - Eine handlungsstarke Geschichte" nannte: In der Firma Wunsiedel wurden Leute dafür bezahlt, dass sie beständig durchs Telefon und auch sonstwo sagten, dass etwas geschehen müsse, und der Autor selbst jagte diesen Satz durch sämtliche Formen, die möglich sind: "Es hätte etwas geschehen müssen" - "Es sollte etwas geschehen" usw. Als am Ende tatsächlich etwas geschah - nämlich der Tod des Firmeninhabers Wunsiedel -, waren alle entsetzt. Und der Autor, nun in der Rolle eines Berufstrauernden - wusste nicht einmal, was in Wunsiedels Fabrik produziert wurde.
Geht es uns nicht da genauso? Auf Konferenzen und Tagungen, in Seminaren und in Workshops, beim Gemeindekaffee und im Bibelkreis werden oft gute Ideen entwickelt, wie man am Reiche Gottes arbeiten könnte. Aber nur wenige Ideen werden umgesetzt. Ich erinnere mich an eine freikirchliche Gemeinde, die ihr Problem kannte, nämlich, dass sie für Außenstehende nicht sehr attraktiv war, weil man es nicht verstand, sich Besuchern und neuen Gemeindemitgliedern zuzuwenden. Das Problem wurde ausgiebig diskutiert, es wurden Maßnahmen ersonnen, wie man das ändern könnte, man besuchte eine andere Gemeinde, die hier sehr erfolgreich war und wälzte das Problem ausführlich aus, betrachtete es von allen Seiten und entwickelte tolle Konzepte. Schlussendlich blieb alles beim Alten.
Dabei brauchen wir den Mut, etwas zu tun. Wir mögen uns zwar drücken können, aber damit lösen wir die Aufgaben nicht, die vor uns liegen. Die Wohnung wird nicht dadurch sauber, in dem wir den schmutzigen Boden betrachten und alle erdenklichen Putzmittel aufzählen können.
Sicher ist es gut, sich Gedanken zu machen, einen Plan auszuarbeiten und dafür zu sorgen, dass man alles hat, was man zur Erfüllung der Aufgabe braucht. In der Gastronomie nennt man das "mise en place", eine Arbeitsvorbereitung, die im täglichen Geschäft den Ablauf erleichtert. Tassen und Gläser stehen bereit, das Besteck ist poliert und am Platz, Servietten, die man für die nächsten Kunden braucht, sind bereits gefaltet. Dadurch kann man sich dann auf das eigentliche Tagesgeschäft konzentrieren und so einen guten Service liefern. Doch auch hier geht es ja auch nur dadurch, dass es gemacht wird. Es macht ja auch keinen Sinn, einen Lkw fachgerecht zu beladen, wenn man doch nicht losfährt. Und warum eine Telefonnummer heraus suchen, wenn man doch nicht anrufen wird?
Natürlich tut man sich schwer, wenn man etwas anfängt, was man noch nie gemacht hat. Jeder hat ein beklemmendes Gefühl, wenn er Neuland betritt, denn man weiß nicht genau, was einen dort erwartet. Aber auch hier gilt: "Übung macht den Meister." Wir können und dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns hilft, dass wir mutig voran gehen dürfen. Er ist auf unserer Seite, wir, die wir Jesus als unseren Heiland angenommen haben, sind Seine Kinder, für die Er sorgt. Warum also sind wir zögerlich?
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