Natürlich: Christen können scheitern, Christen enttäuschen, Christen werden schuldig, und dies ist besonders schlimm, erst recht, wenn es unter einem christlichen Deckmäntelchen geschieht.
Auch ich würde am liebsten die Hexenverbrennungen ungeschehen machen, die Rolle der beiden Großkirchen im
Dritten Reich behagt mir auch nicht, die russisch-orthodoxe Kirche war oft genug auf der Seite des Zaren und der Macht ... Eine Menge Dinge lassen sich hinzufügen.
Offen gestanden, fallen mir auch viele Fehler bei meinen Glaubensgeschwistern auf, doch halt: Es sind genau diejenigen Fehler, die mir bei anderen auffallen,
welche ich selbst am stärksten habe.
Ich versuche, den Splitter aus den Augen meiner Glaubensgenossen zu entfernen und bemerke nicht, dass der Balken in meinem eigenen Auge schon ein ganzer Urwald ist, der dichter nicht bewachsen sein könnte.
Gott hätte genügend Gründe, mir den Kopf zu waschen, mir die Meinung zu geigen, mich einmal gründlich dazwischen zu holen oder, um es auf den Punkt zu bringen: Mich gänzlich zu verwerfen.
Aber ist wirklich jede Kritik gegen Christen berechtigt? Wenn wir als Christen reich sind, ist es nicht richtig, sind wir arm, dann sind wir nicht gesegnet.
Helfen wir, dann sind wir Rattenfänger, lassen wir es, dann sind wir Heuchler.
Sprechen wir von Jesus, dann sind wir Fundamentalisten, sagen wir nichts, dann sind wir feige. Und es sind stets dieselben Leute, die sowohl die eine oder andere Kritik gleichzeitig vorbringen.
Die Heilsarmee zum Beispiel hilft unter dem Motto: Suppe, Seife, Seelenheil! Sie speist Hungrige, sie gibt ihnen Seife für den Körper, aber sie spricht auch von Jesus als dem einzigen Heilsweg. Ist das so falsch? Sie zwingt doch keinem etwas auf!
Wie viele Menschen wären ohne die Hilfe der Heilsarmee aufgeschmissen?
Oder Pfarrer Siegelkow in Hamburg: Er hilft Kindern aus einkommensschwachen Familien, er gibt ihnen warme Mahlzeiten, hilft bei den Hausaufgaben und so fort. Wohin sollten die Kinder den sonst gehen? Zu den rechten Rattenfängern, bei denen sie dann über kurz oder lang verheizt werden?
Sicher: Auch ich würde mir klarere Worte von der Kirchenleitung wünschen, die Politiker und Unternehmer in die Verantwortung ruft, was gerechte Löhne anbetrifft, was Krankenfürsorge und Altenpflege betrifft. Auch ich wünsche mir von den Kirchen, dass sie Langzeitarbeitslose nicht in Ein-Euro-Jobs ausnützt, sondern tragfähige Konzepte entwickeln, die wirkliche Arbeit bringen. Auch ich wünsche mir eine Kirche, die sich auf der Seite der Armen, Schwachen, der Witwen und Waisen steht, die eine Schützerin der Entrechteten, die Stimme für die Stummen und das Auge für die Blinden ist.
Ich wünsche mir auch Menschen, die mir, einem Christen, sagen: "Wenn Du Christ bist, dann verhalte dich auch so!" Und: "Wenn Jesus der Weg ist, dann mach dich gefälligst auf die Socken!" Und: "Hier und da machst du Mist!" Nur so kann ich mich verändern lassen durch Jesus.
Die Frage ist jedoch nicht, ob ich reich oder arm bin, gross oder klein, sondern wie ich damit umgehe. Ob ich das tue, was mir möglich ist oder ob ich es lasse.
Ob ich mich mutig zu Jesus bekenne oder feige schweige. Ob ich mich wirklich bemühe oder mir alles egal ist. Kritik ist nur dann sinnvoll, wenn sie konstruktiv ist.
Für berechtigte Kritik sind wir Christen dankbar. Ich selbst freue mich über Fragen, auch wenn sie unbequem sind. Dann muss ich mich anstrengen, dann sitze ich nicht bequem auf dem Sessel. Dann kann auch ich hinzulernen. Und dann kann man auch zeigen: Jesus ist einfach Spitzenklasse!
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