Während des Kalten Krieges flohen Menschen aus dem kommunistischen Machtbereich, und es war die Massenflucht, durch die die ehemalige DDR schlussendlich zusammenbrach. Trotz der Unterstützung durch westliche Demokratien flohen Menschen aus dem Spanien Francos oder dem iranischen System des Schah. Die Militärdiktaturen der 1970iger und 1980iger Jahre in Mittel- und Südamerika "produzierten" ebenfalls Flüchtlinge. Auch aus China, Nordkorea und Kuba fliehen Menschen vor den dortigen Diktaturen.
Heute haben wir Flüchtlingswellen vor allem vor der Armut in Afrika oder vor den Kriegen, die sehr nahe vor unserer Haustüre stattfinden. Europa versucht sich abzuschotten, und wir erschrecken über Schlagzeilen, wenn viele Flüchtlinge in völlig ungeeigneten und überfüllten Booten vor den Küsten Südeuropas im Mittelmeer ertrinken. Man fürchtet die Flüchtlinge aufgrund der angespannten ökonomischen Verhältnisse in Europa, die ohnehin schon Massenarbeitslosigkeit und massive Kürzungen im sozialen Bereich zur Folge hat. In den Asylanten sieht man vor allem Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt, man fürchtet sich vor weiteren sozialen Kürzungen und vor Überfremdung.
Diese Ängste kann ich - ohne sie verteidigen zu wollen - sehr gut verstehen. Wer selbst nur wenig bis gar nichts hat, fürchtet zwangsläufig um die eigene Existenz. Vor allem für die Länder, aus denen die Menschen fliehen, ist eine solche Entwicklung nicht gut, bluten sie doch bis zu einem gewissen Grad aus und verlieren geistige Potenziale. Ebenso ist es sehr traurig, wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil sie dort unterdrückt und verfolgt werden.
Jesus selbst hat sehr viel Verfolgung erleiden müssen: Schon als kleines Kind musste Er mit Seinem Pflegevater Joseph und der Mutter Seiner menschlichen Natur Maria nach Ägypten fliehen, um nicht dem Kindermord des Herodes zum Opfer zu fallen, der sich vor dem neugeborenen König der Könige fürchtete, weil er an seiner Macht klebte und blind war für die geistliche Bedeutung der Geburt Jesu. Das war nicht einfach, und für Jesus, der in Seiner menschlichen Natur zu dieser Zeit ein ganz kleiner Junge war, mit großen Strapazen verbunden, vor allem, weil die Strassen nicht so gut gewesen sind wie heute und die Reise nur mit einem Lastenesel statt mit modernen Verkehrsmitteln unserer Tage gestaltet werden musste.
Dies wirft bei mir die Frage auf, wie wir mit Flüchtlingen umgehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich hierbei um Menschen handelt, die in Not sind, die in eine für sie fremde Kultur kommen, die Hab und Gut und ihre sozialen Netzwerke verloren haben. Selten sind sie der Sprache mächtig und werden angefeindet. Viel zu oft sind sie fremdenfeindlicher Gewalt ausgesetzt, und gerade zu Beginn der 1990iger Jahre attackierten Rechtsextremisten unter dem Applaus der Bevölkerung Asylantenheime. Damals bildete man aus Protest Lichterketten.
Wer sich bewusst macht, dass auch Jesus ein Asylant gewesen ist, wird Flüchtlinge kaum mit Hass verfolgen, zumindest dann nicht, wenn er sein Christsein ernst nimmt. Vor allem dürfen wir als wiedergeborene Christen niemals vergessen, dass wir den Flüchtlingen Nächstenliebe, Werke der Barmherzigkeit und die Frohe Botschaft schulden, gerade gegenüber denjenigen, die aus atheistischen Regimen geflohen oder andersgläubig sind wie Muslime oder Hindus. Jesus ist auch für sie gestorben und auferstanden, und auch sie brauchen Jesus als ganz persönlichen Retter, wenn sie nicht auf ewig verloren gehen sollen.
Gleichzeitig erhebt sich auch die Frage nach der Verantwortung der Großen und Mächtigen in Wirtschaft und Politik: Sowohl Saddam Hussein als auch die Taliban wurden in den Zeiten des Kalten Krieges vom Westen gestützt. Nicht nur der Schah, nicht nur Franco in Spanien, nicht nur die griechische und portugiesische Militärdiktatur zu Beginn der 1970iger Jahre, sondern auch die Militärjuntas Mittel- und Südamerikas wurden gestützt. Wer mit China Geschäfte machen will, muss auch bereit sein, Menschenrechte einzufordern.
Doch am Wichtigsten bleibt sich stets die Frage zu stellen, was Jesus tun würde, wenn Er Flüchtlingen begegnete. An unserem Verhalten Asylanten gegenüber lässt ebenfalls sehr genau unser Christsein ablesen. Und es liegt an jedem Einzelnen von uns, ob wir bereit sind, ihnen die Gute Nachricht von Jesus zu erzählen und weiter zu geben.
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