Was sagen wir denn nun? Haben wir einen Vorteil? Gar keinen. Denn wir haben droben bewiesen, daß beide, Juden und Griechen, alle unter der Sünde sind, wie denn geschrieben steht: »Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer. Da ist nicht, der verständig sei; da ist nicht, der nach Gott frage. Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden. Da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht einer. Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handeln sie trüglich. Otterngift ist unter den Lippen; ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße sind eilend, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist eitel Schaden und Herzeleid, und den Weg des Friedens wissen sie nicht. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.« Wir wissen aber, daß, was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind, auf daß aller Mund verstopft werde und alle Welt Gott schuldig sei; darum daß kein Fleisch durch des Gesetzes Werke vor ihm gerecht sein kann; denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.
Römer 3, 9-20 (Luther 1912)
|
Wir Menschen neigen dazu, uns als die Unschuld vom Lande zu sehen; wir sagen uns, dass wir ja gar nicht so schlimm sind und meinen, besser zu sein als die Anderen. Im Grunde handeln wir da wie der Pharisäer aus dem Gleichnis, das ich ganz oben zitiert habe. Ja, wir erzählen Gott oft sogar davon, was wir alles an Gutem Getan haben und dass wir uns an Seine Gebote und Vorschriften halten und danach halten.
Aber Paulus warnt uns und zitiert verschiedene Psalmverse, aus denen hervorgeht, dass wir Menschen nicht wirklich gut sind.
Aus den Werken des Gesetzes können wir daher nicht gerecht werden, weil wir sie ja nur tun aus Berechnung: Wir wollen uns dadurch den Himmel verdienen, wir wollen gut da stehen, wir wollen als hoch moralische Personen angesehen werden und stellen uns weit über Andere. Wir halten uns an die Vorschriften, weil wir negative Konsequenzen befürchten: Wer hält sich denn schon an die Geschwindigkeitsbegrenzung aus der Einsicht, dass es so sein muss? Im Grunde haben wir Angst davor, dass wir einen Unfall verursachen und dann wegen Selbstverschuldens auf den Kosten sitzen bleiben oder aber ein Bußgeld zahlen zu müssen.
Das Böse tun wir doch oft deshalb nicht, weil wir fürchten, erwischt und belangt zu werden, und das Gute, das wir tun, tun wir oft deshalb, weil wir hoffen, dass Andere uns dann gefällig sein müssen. Wenn jemand ein Getränk ausgibt, der tut es im Grunde in der Hoffnung, auch eins ausgegeben zu bekommen. Wir tun das, was wir tun, aus Berechnung und aus der Hoffnung heraus, dass es sich rechnet.
Auch zu Weihnachten handeln wir ähnlich: "Schenkst du mir was, dann schenk ich dir was!" Und wir bemühen uns, dass unser Geschenk zwar einen guten Eindruck macht, damit der Andere noch großzügiger und dankbarer wird; dabei hoffen wir, dass das Geschenk, das wir bekommen, schöner, nützlicher und wertvoller ist als das Unsere.
Das Gesetz, die Gebote bringen uns die Erkenntnis der Sünde, doch wir kommen aufgrund unserer Motivation nicht heraus aus dem Kreislauf der Sünde. Wir bedürfen der Rettung durch Christus Jesus, der unsere Herzenseinstellung verändern kann. Dazu bedarf es aber der Demut des Zöllners aus dem obigen Gleichnis: Der Zöllner gibt seine Schuld unumwunden zu, und es ist kein Lippen-, sondern wirkliches Herzensbekenntnis, denn er weiß um sein Versagen. Deshalb ist er bereit, sich verändern zu lassen und geht aus diesem Grund gerechtfertigt nach Hause.
Bitten auch wir wirklich und ernsthaft um Vergebung unserer Schuld oder ist auch dies bei uns Lippenbekenntnis, weil es sich so gehört? Man kann auch durch bewusst zur Schau getragene Bescheidenheit prahlen. Wenn wir um Vergebung bitten, dann brauchen wir die Herzenshaltung des Zöllners, der sich nicht nur seiner Schuld bewusst ist, sondern auch weiß, dass er Vergebung und Rettung braucht, die nur von Gott kommen kann. Deshalb bitten wir auch im Vater unser um Vergebung unserer Schuld. Und es tut uns gut, wenn wir spüren, dass uns unsere Sündenlast vergeben ist, dass wir rein gewaschen worden sind. Deshalb sind die beiden nachfolgenden Bibelstellen so wichtig:
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Matthäus 6, 13 (Luther 1912)
|
Eine Unterweisung Davids. Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der HERR die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist!
Psalm 32, 1-2 (Luther 1912)
|
Wer eigene Schuld vergeben bekommen hat, der kann auch seinen Schuldigern vergeben. Auch hier verlieren sich Lasten, auch dadurch heilen Wunden der Vergangenheit. Vergebung zu erfahren und Vergebung zu geben, gehören untrennbar zusammen und führen zur Gesundung zwischenmenschlicher Beziehungen und der eigenen Psyche.
|