Dienen hat bei uns einen schlechten Ruf: Man hält zum Beispiel Gastronomieberufe für etwas, was jeder könne und vergisst, dass es mehr ist als Teller schleppen; man muss nicht nur die Speisen kennen, sondern auch die dazu gehörenden Getränke, man muss ein Menü zusammen stellen können usw.
Portiere müssen die Sehenswürdigkeiten kennen, sie müssen wissen, welche Dienstleistungen das Hotel anbietet, sie müssen sicher in der Abrechnung sein und auch die Hotelkorrespondenz erledigen, die Buchungen vornehmen, die Kassenführung und teilweise auch buchhalterische und verwaltungstechnische Aufgaben erledigen.
Auch im Sicherheitsdienst gehört mehr dazu, als nur wach zu sein: Man muss nicht nur offene Fenster und Türen sehen, sondern auch Gefahren erkennen und beseitigen, Gesetze kennen, im Brandschutz firm sein und so fort.
Auch zu Jesu Zeiten war das so: Füße waschen war "Knechtarbeit", etwas für die "untergeordnete Liga".
Aber wie wäre es mit der Sauberkeit der Teller und Gläser in der Gemeinschaftsverpflegung bestellt, wenn es nicht den Spüler gäbe, wie sähe es mit der Krankenhaushygiene aus, wenn es nicht die Raumpflegerinnen gäbe?
Hätten wir frisches Obst und Gemüse im Supermarkt, wenn nicht Lkw-Fahrer zuverlässig ihren harten Job verrichteten? Wo blieben unsere Briefe und Pakete ohne die Postboten und Kuriere? - Vieles würde ohne Dienstleister - vor allem der schlecht bezahlten - einfach zusammen brechen.
Mancher Sicherheitsmitarbeiter hält seine Knochen hin für ein paar Cent und verhindert doch so manche Prügelei und manchen Brand.
Ohne die Boten in Grossbüros würde die Kommunikation, ohne die Lkw-Fahrer würde die Logistik zusammenbrechen.
Und stellen wir uns vor, in der Gastronomie gäbe es keinen Spüler mehr: Wollen wir wirklich aus schmutzigen Gläsern trinken und von dreckigem Geschirr essen? Einweggeschirr mag für einen Imbiss genügend sein, doch wer möchte schon seinen Kaviar vom Plastikteller schlürfen? Unsere Bahnhöfe würden im Müll ersticken, wären da nicht fleißige Dienstleister am Werk.
Aber Dienen ist nicht nur etwas, was Unternehmen und Dienstleister gewerblich tun: Dienen ist nicht nur auf den Broterwerb beschränkt. Wie sähe unsere Welt denn aus, wenn nicht grüne Tanten - und auch Onkels - in Krankenhäuser zu denen hin gingen, die keinen haben? Wie viel einsamer wären unsere Senioren ohne die Besuchsdienste der Gemeinden? Würde mancher noch in die Kirche kommen oder vor die Tür, wenn nicht ein Gemeindemitglied oder ein Nachbar sich Zeit dafür nähme? Meine ehemalige Nachbarin war froh, dass ich sie einmal wegen ihrer Katze zu einem Tierarzt fuhr, der einige Kilometer entfernt wohnte.
Unsere Sozialsysteme wären schon längst zusammengebrochen, wenn nicht Familien sich um ihre behinderten Kinder, um ihre pflegebedürftigen Eltern und Großeltern kümmern würden. Unsere Gesellschaft wäre kälter, wenn nicht der ein oder andere in einem Altenheim zum Vorlesen käme oder zum Zuhören. Katastrophen würden schlimmer ausfallen, wenn nicht die vielen Freiwilligen in den Feuerwehren und beim THW eine außergewöhnlich gute Arbeit machten. Und manches Projekt könnte nicht realisiert werden, wenn nicht Freiwillige anpackten: Mancher Kinderspielplatz wurde erneuert, mancher Kindergarten renoviert, weil Freiwillige die Ärmel hochgekrempelt haben.
Ohne das Dienen funktioniert nichts. Der Alte Fritz ist mir wegen seines "Kommißkopfes" zumindest nicht immer sympathisch, aber ein Satz hat geradezu philosophischen Charakter: "Ich bin der erste Diener meines Staates!" Es würde mich freuen, wenn unsere Politiker, unsere Funktionäre sich eine solche Einstellung zu eigen machen würden: Vieles sähe besser aus. Dienen ist keine Schande, sondern überlebensnotwendig für Staaten und Gesellschaften. Sie stärkt den Zusammenhalt, macht Freundschaften möglich, lässt Familien bestehen, formt aus Heranwachsenden starke Persönlichkeiten und ist auch für Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil: Ich gehe auch lieber in einen Laden, wo ich gut beraten werde als in einen, wo man mir das Gefühl gibt: "Vorsicht! Kunde stört!"
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