Jakobus und Johannes begehrten die Ehrenplätze zur Rechten und zur Linken Jesu: Das ärgerte natürlich die anderen zehn Apostel, die ebenfalls diese Ehrenplätze für sich beanspruchten. Die damaligen Apostel hatten also dieselben Wünsche wie wir heute: Auch wir stehen doch gerne oben an, haben selbst gern die Ehrenplätze und wollen Karriere machen. Gerade Kinder sind in dieser Hinsicht wieder einmal ganz besonders ehrlich; sie sagen rund heraus, dass sie gerne Bundeskanzler, Präsident, Superstar oder Weltmeister werden wollen.
Auch als Erwachsene hegen wir diese Träume: Selbst, wenn wir wissen, dass diese Wünsche unrealistisch sind, so würden wir doch gerne als junge Zeitsoldaten am Liebsten Berufssoldat und Oberbefehlshaber werden. Andere junge Menschen wären gern der Vorstandsvorsitzende eines internationalen Großkonzerns. Kleine Mädchen träumen davon, eines Tages ihren Prinzen kennen zu lernen wie im Märchen.
Von dieser Sehnsucht lebt die Regenbogenpresse sehr gut: Durch ihre Klatsch- und Tratschgeschichten aus der Welt der oberen Zehntausend, des Adels, der Reichen und der Schönen gibt sie ihren Lesern das Gefühl, selbst zum Jet Set zu gehören und ein bisschen selbst in Monaco zu leben mit großer Villa und Luxusjacht. Am besten noch mit Hauspersonal nach dem Motto: "James, schlagen Sie bitte die Tür zu: Ich bin nämlich wütend!"
In dem gerade eingebauten, etwas ironischen Witz wird zugleich deutlich, was wir von Dienenden halten: Wir blicken mehr oder weniger auf sie herab. Gerade in Deutschland hat die Dienstleistung keinen besonders guten Ruf; wir alle wollen zwar die Dienstleistungsgesellschaft, doch kaum jemand möchte als Kellner, als Glas- und Gebäudereiniger arbeiten. Diese Wertung zeichnet sich auch in den vergleichsweise schlechten Löhnen und Gehältern ab, die Dienstleister ihren Angestellten gewähren. In der Wachbranche sind Stundenlöhne von 5 Euro brutto die Regel und nicht die Ausnahme.
Dabei ist wirkliches Dienen nichts Negatives: Ohne die guten Seelen, die sich in dienenden Berufen engagieren, wäre so manch schöner Abend für uns undenkbar. Ohne den Partyservice hätten wir bei Feierlichkeiten mehr Arbeit und weniger Zeit für unsere Gäste. Ohne die Spediteure würde die Warenverteilung nicht funktionieren. Und wer weiß es nicht zu schätzen, wenn er abends mit dem Taxi nach Hause fahren kann, weil er vielleicht etwas Alkohol getrunken hat und sich deshalb nicht mehr selbst hinter das Steuerrad setzen möchte?
Doch es geht dabei nicht allein um solche das Leben vereinfachenden Dienstleistungen, sondern vielmehr um solche, die sich in der tätigen Nächstenliebe widerspiegeln: Ohne die helfenden Hände in den Krankenhäusern und Seniorenheimen wäre die Pflege undenkbar. Besuchsdienste der Kirchen erfreuen die Alten und Kranken, und die grünen Tanten, in denen es mittlerweile auch den ein oder anderen grünen Onkel gibt, wäre manch Kranker, der einsam im Krankenhaus liegt und sich bestimmte Dinge, die er eigentlich dringend braucht, nicht besorgen kann, ziemlich aufgeschmissen. Viele Mitarbeiter in kirchlichen Sozialdiensten unterhalten Kleiderkammern, Tafeln und Armenküchen oder fahren Alten und Behinderte einfach mal zum Einkaufen oder zum Arzt oder besorgen die dringend benötigten Medikamente aus der Apotheke.
Jesus - König aller Könige und aller Herren Herr - war sich selbst nicht zu schade, die Herrlichkeit des Himmels zu verlassen, um uns zu dienen. Er heilte die Kranken, erweckte Tote, machte Taube hörend, Blinde sehend, Lahme gehend und Stumme redend. Besessenen trieb Er die bösen Geister aus. Während des letzten Abendmahls wusch Er Seinen Aposteln sogar die Füße, eine Arbeit, die sonst Knechte zu erledigen hatten. Wenn Jesus, unser Herr und Meister, gedient hat und Sein Leben zur Erlösung von Vielen gab, so darf es für uns eine Ehrensache sein zu dienen.
Wirkliches Dienen hat ja nichts mit Unterwürfigkeit zu tun und entwertet den Dienenden keineswegs: Zum echten Dienen gehört Charakterfestigkeit, Geduld, Empathie, Kreativität, Wissen, Flexibilität, Organisations- und Improvisationstalent, um nur einige der Kernkompetenzen aufzuzählen.
Der Dienst am Nächsten mag sich für uns in rein materieller Hinsicht nicht rechnen: Gerade in den Werken der Nächstenliebe bringen die Dienenden oft selbst noch Geld mit außer der erheblich investierten Zeit. In einigen Bereichen wie dem THW, dem Katastrophenschutz und den Feuerwehren setzen die Freiwilligen sogar ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel, um anderen zu helfen, was die Qualität und menschliche Größe zeigt. Ist es da noch verwunderlich, dass Jesus von der Größe des Dienens spricht?
Wir als Seine Jünger sollten uns ohnehin ein Beispiel an Jesus nehmen, der ja - wie gerade erwähnt - sich selbst nicht gescheut hat, die Knechtarbeit des Fußwaschens an Seinen Aposteln zu vollziehen. Mit Seinem Vorbild zeigt uns Jesus, wie gut und schön es ist, für Andere da zu sein. Wir mögen zwar keine irdischen Güter ansammeln, dafür aber himmlische, die niemals gestohlen oder schlecht werden können. Abgesehen ist der Dank derer, denen man hilft, ein großer Lohn. Viele Ehrenamtliche bestätigen, dass z. B. kranke Kinder, die man in einer Kinderklinik besuchte, oder Senioren, um die man sich kümmerte, so viel Dank entgegenbringen, dass man selbst gestärkt wird. Mancher, der einem Sterbenden Beistand leisten wollte, wurde selbst getröstet.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich der Dienst am Nächsten lohnt: Wenn ich einen einsamen alten Menschen besuche, dann ist es ja nicht so, dass nur dieser Gesellschaft hat, sondern auch ich. Vor allem habe ich dann selbst für meinen Alltag oder in einer konkreten Situation gute Ratschläge bekommen. Anschaulich drückt das ein Caritasplakat aus: "Expertin für Sonntagsbraten sucht Zuhörer!" Ein leckerer Sonntagsbraten fürs Zuhören ist doch auch schon ein schöner Lohn.
Aber das ist längst nicht das Einzige, was wir mitnehmen können. Aus mancher Geschichte von früher, der guten alten Zeit, können wir lernen, wie wir heute noch das ein oder andere Problem lösen können. Und für manchen Schüler wird so wenigstens die jüngere Geschichte lebendig. Dienen ist ja nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen. Im menschlichen Miteinander, das auf gesunden Füßen steht, gibt es keine Einbahnstraßen.
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