Sind wir nicht so wie die Mutter, die darum bittet, dass ihre beiden Söhne mit Jesus einst herrschen sollen als die rechte und die linke Hand? Wollen wir nicht auch allen voran stehen, Ehrenplätze haben, Chef sein, Generaldirektor, König, Kaiser? Diesen Wunsch haben wir, auch wenn wir wissen, dass er in unserer konkreten Situation unrealistisch ist. Wir wollen oben an stehen.
Das Dienen dagegen hat einen sehr schlechten Ruf: Menschen in Dienstleistungsberufen - ganz gleich, ob als Frisöre oder Kellner, als Wachleute oder als Ordner - werden schlecht bezahlt. Aber nicht nur deshalb finden sich wenige Menschen bereit, als Dienstleister zu arbeiten; Dienstleistung wird mit Unterwürfigkeit, Sklaverei und Befehlsempfängertum gleich gesetzt. Kaum jemand gibt zu, dass von vielen Dienstleistungsberufen sehr viel verlangt wird: Die meisten Kellner und Rezeptionisten müssen mindestens drei Sprachen gut sprechen und bedürfen eines grossen Fachwissens. Wachleute müssen sehr zuverlässig, nervenstark und reaktionsschnell sein sowie potentielle Gefahren rechtzeitig erkenen und angemessen reagieren; gerade von ihnen wird erwartet, dass sie sehr viel Feingefühl, Durchsetzungsvermögen und Menschenkenntnis haben. Dies können wir noch stundenlang ausführen und auf andere Dienstleistungsberufe übertragen. Trotzdem will keiner Dienstleister oder Diener sein.
Aber ist diese Einstellung wirklich richtig. Der Alte Fritz, den viele als guten, wenn auch strengen Landesherren bewundern, sagte von sich selbst, er sei der erste Diener seines Staates. Er hatte trotz seiner herausgehobenen Stellung kein Problem damit, ein Diener zu sein. Und was wären wir ohne die Hände der vielen Dienstleister: Könnten wir uns wirklich sicher auf Massenveranstaltungen bewegen, wenn es nicht die Security-Leute gäbe, die ihren Buckel hinhalten? Könnten wir mal schön essen gehen, gäbe es da nicht die vielen Kellner und Köche?
Mehr noch: Ohne Dienstleister wie Rettungskräfte, Feuerwehren und Krankenschwestern hätten wir ganz schön verloren, wenn wir einmal krank wären, einen Unfall hätten oder ganz schnell Hilfe bräuchten. Besonders Ehrenamtliche leisten Dienste, und ohne sie wäre der Sozialstaat, in dem wir leben, schon längst pleite. Ohne "dienstbare Geister" kommen wir auch in Kirchengemeinden nicht aus, und da geht es nicht nur um die Kaffeetafel nach dem Gottesdienst oder den Blumenschmuck in der Kirche, sondern meist um handfeste und hilfreiche Seelsorge.
Jesus - König aller Könige und Gottes Sohn - ist selbst in die Welt gekommen, um zu dienen: Dabei hätte Er es in Seiner Majestät niemals nötig gehabt, dies zu tun. Trotzdem hat Er gedient. Er hat Seinen Jüngern die Füsse gewaschen, eine Aufgabe, die in der damaligen Zeit eine untergeordnete Tätigkeit war. Jesus hat Kranke geheilt, Sündern vergeben, Menschen zugehört, sie gelehrt: Alles das waren und sind Dienstleistungen. Er forderte uns auch auf, Dienste zu leisten an Alten, Kranken, Behinderten, Hungernden, Wehrlosen, Witwen und Waisen.
Sollten wir uns daran kein Vorbild nehmen? Schliesslich hat Jesus selbst Sein Leben für uns hin gegeben, Sein Blut für uns vergossen, damit wir vor dem Vater sündlos sind und gerettet. Ohne Ihn wären wir tot, auf ewig verloren. Das war der grösste und schwerste Dienst. Warum tun wir uns so schwer, selbst Dienste zu leisten, die nur wenig von uns abverlangen?
Ein Diener zu sein hat mit Unterwürfigkeit nichts zu tun: Ein Diener arbeitet zum Wohl des anderen. Genauso, wie eine Krankenschwester ein Medikament verabreichen muss, damit ich gesund werde und dabei mit mir auf Augenhöhe ist, hat ein Diener die Fürsorge für die, denen Er dient. Das hat mit Verantwortung zu tun, mit Fachwissen, mit Menschlichkeit. Gerade Letzteres erfordert Grösse.
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