| Was ist Wahrheit?
Da fragte ihn Pilatus: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete:
Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt
gekommen, daß ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit
ist, der hört meine Stimme. Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit?
Johannes 18, 37 + 38
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An der Frage des Pilatus, "Was ist Wahrheit?", bleibe ich immer wieder hängen.
Einfach deshalb, weil die Wahrheitsfrage eine zeitlose Frage ist, die immer
wieder gestellt wird. Die Frage des Pilatus ist deshalb nicht neu. Es ist die
typische Frage des gottfernen Menschen, der keinen festen Grund kennt.
Von daher ist es nur folgerichtig, wenn in unserem gottfernen Kulturkreis alles
als relativ angesehen wird und diejenigen "unangenehm" auffallen, die behaupten,
dass dem nicht so sei und es unverrückbare Wahrheiten gäbe.
Deshalb wird, wer mit Bestimmtheit eine klare Aussage macht, gefragt, ob er
hier "seine (private) Wahrheit" verabsolutiert, "anderen aufzwingen will" oder gar
meint "die Wahrheit gepachtet" zu haben.
Deshalb gilt es weithin als "unfein" klare Vorstellungen zu äußern, weshalb es
opportun ist, nach einer klaren Aussage sofort wieder relativierende Abstriche
zu machen und sich gewissermaßen für seine Kühnheit zu entschuldigen, will
man nicht Gefahr laufen, als "intolerant oder gar als "Fundamentalist" angesehen zu werden.
Ich erinnere mich hier noch gut an Unterweisungen, wo gesagt wurde, "richtig" ist
das, wovon die Mehrheit der Ansicht ist, dass dem so ist und so kann das, was
heute noch richtig ist, morgen schon ganz falsch sein. Mit psychologisierenden
Theorien garniert, lässt sich das ziemlich "überzeugend" vermitteln.
Ganz gewiss gibt es Dinge, für die das vollauf zutrifft. Man denke an die Mode oder
irgendwelche formalistischen Anstandsregeln a'la Knigge. Auch kann man Spiel- und
Verkehrsregeln ändern, Vorschriften an Gegebenheiten anpassen oder sich für dieses
oder jenes Konsumprodukt oder Urlaubsziel entscheiden. Bedenklich wird es dann,
wenn solche Vorgehensweisen auf sämtliche Lebensbereiche übertragen werden.
Wenn Jesus, den die Schrift als die Wahrheit in Person bezeichnet, von Wahrheit
spricht, meint er hier nicht solche relativen Dinge, sondern letztgültige, unveränderliche
Wahrheiten, die es unbedingt zu beachten gilt, will man nicht auf schreckliche Weise
Schiffbruch erleiden. Diese letztgültigen, unveränderlichen Wahrheiten werden uns in
exklusiver und unnachahmlicher Weise ausschließlich im Wort Gottes, der Bibel -
und nur dort - verbindlich geoffenbart.
Diese Wahrheiten sind absolut und existieren unabhängig von uns und dem, was wir
persönlich als richtig ansehen oder für wahr halten. Diese Wahrheit bricht sich immer
wieder, auch ohne unser Zutun, Bahn. Diese Wahrheit ist wie ein Löwe, der sich selbst
verteidigt. Diese Wahrheit kann auf Dauer nicht unterdrückt werden, man kann von ihr
allenfalls auf schmerzhafte Weise eingeholt werden, und dass die Wahrheit so geartet
ist, ist eigentlich sehr tröstlich.
Schlimm wäre es nur, wenn es anders wäre und die Mehrheit bestimmen würde, was
"Wahrheit" ist. Die Wahrheit hätten dann die "gepachtet", die am lautesten schreien und
die meisten Anhänger hinter sich versammeln konnten. Weil das nicht so ist, brauchen wir
uns auch nicht darum zu sorgen, dass die Wahrheit untergehen könnte, wenn wir dieser
nicht laut und eindringlich genug Geltung verschaffen.
Wir können deshalb ruhig und getrost bleiben und die Sache Gott überlassen und im
übrigen still und besonnen darauf verweisen, dass es letzte Wahrheiten gibt, ohne dabei
irgendjemandem aufzudrängen, was wir selbst als letzte Wahrheiten erfahren haben. Dies
schon deshalb, weil keiner von uns in der Erkenntnis der Wahrheit vollkommen ist oder
an ein Ende der Erkenntnis gekommen wäre. Deshalb muss sich hier jeder selbst auf die
Suche machen und wer gefunden hat, ständig weiterforschen.
Diejenigen, die alles für relativ halten, sind schlimm dran. Denn die Aussage, "alles ist
relativ", oder wie man heute dazu sagt "es gibt viele Wahrheiten", "es gibt kein Richtig
und kein Falsch", ist, bei Licht besehen, nur heiße Luft, mit der im Grund überhaupt nichts
gesagt wird, zumal die Aussage "alles ist relativ", ja selbst auch wieder "relativ" ist. Wer
alles relativiert, muss sich nicht wundern, wenn er nie Boden unter die Füße bekommt,
sondern ständig nur ein Fragender und Suchender bleibt.
Hier finden wir dann die, die ständig neue Lebensrezepte ausprobieren, jeder neuen Lehre
nachlaufen, an Gott und der Welt zweifeln und letztlich noch Gott für ihre Misere verantwortlich machen, weil dieser angeblich "schweigt", "Rätsel aufgibt" und "die Menschen damit
sich selbst überlässt".
Alle diese Schlussfolgerungen, die ich hier dargestellt habe, werden von der Heiligen Schrift
so bezeugt. Man muss die Bibel nur aufmerksam und unvoreingenommen lesen, sich von ihr
leiten und zurechtbringen lassen wollen, um das selbst nachzuprüfen. Und das täglich. Nicht
wir korrigieren die Bibel, sondern die Bibel korrigiert uns, sagte der begnadete Philosoph und
Theologe Sören Kierkegaard. Ein Grundsatz, gegen den leider ständig verstoßen wird. Die Folgen
können dabei nicht ausbleiben.
Wir wollen Gott täglich bitten, dass er unseren schwachen Glauben stärkt und festigt, uns vor
Abfall bewahrt und uns ein beständiges Herz gibt, das treu an seinem Wort bleibt und sich von
diesem ständig korrigieren und zurechtbringen lässt. Etwas Besseres kann uns in diesem Leben
nicht passieren.
O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.
O du, den unser größter
Regent uns zugesagt,
komm zu uns, werter Tröster,
und mach uns unverzagt.
Gib uns in dieser schlaffen
und glaubensarmen Zeit
die scharfgeschliffnen Waffen
der ersten Christenheit.
Unglaub' und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je,
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh';
du musst uns Kraft verleihen,
Geduld und Glaubenstreu'
und musst uns ganz befreien
von aller Menschenscheu.
Es gilt ein frei Geständnis
in dieser unsrer Zeit,
ein offenes Bekenntnis
bei allem Widerstreit,
trotz aller Feinde Toben,
trotz allem Heidentum
zu preisen und zu loben
das Evangelium.
Fern in der Heiden Lande,
erschallt dein kräftig Wort,
sie werfen Satans Bande und
ihre Götzen fort; von allen
Seiten kommen sie in das
Reich herein; ach, soll es
uns genommen, für uns
verschlossen sein?
O wahrlich, wir verdienen
solch strenges Strafgericht;
uns ist das Licht erschienen,
allein wir glauben nicht.
Ach, lasset uns gebeugter
um Gottes Gnade flehn,
dass er bei uns den Leuchter
des Wortes lasse stehn.
(Lied, Philipp Spitta 1833)
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(Autor: Jörgen Bauer) |