"Am nächsten Tag sah das Volk, das am andern Ufer des Sees stand, dass kein anderes Boot da war als das eine und dass Jesus nicht mit seinen Jüngern in das Boot gestiegen war, sondern seine Jünger waren allein weggefahren...
... Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte."
Johannes 6, 22-59
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Wir alle haben Hunger und wissen, dass wir essen müssen; die Bitte im Vater unser - "Unser tägliches Brot gib uns heute" - ist deshalb von überlebenswichtiger Bedeutung. Diejenigen Leserinnen und Leser, die noch den Krieg und die Nachkriegszeit erlebt haben, wissen aus eigener schmerzlicher Erfahrung, dass Hunger sehr quälend ist, und die Bilder, die uns aus Dürregegenden wie der Sahelzone erreichen, zeigen, wie qualvoll das Sterben durch Verhungern ist. Es ist zu wünschen, dass den Hungernden dieser Welt sehr schnell geholfen wird, denn es ist genug für alle da, aber nicht genug für die Gier von Wenigen.
Aber auch in geistlicher Hinsicht brauchen wir Nahrung: Viele Christen wachsen nicht, weil sie diese Nahrung vernachlässigen; sie bleiben faktisch im Säuglingsalter des Christentums stehen und wundern sich, dass nichts weiter geht. Sie bleiben allenfalls Milchtrinker und werden nie zu Schnitzelessern.
Ohne geistliche Nahrung darben wir auch in geistlicher Hinsicht. Wir können - wie gerade erwähnt, nicht wachsen und kommen nicht zu Kräften; vielmehr verlieren wir diese. Mancher, der sich voller Begeisterung bekehrte und es sehr ernst meinte, fiel am Ende im wahrsten und buchstäblichsten Sinne vom Glauben ab, weil er es unterlassen hatte, geistliche Nahrung zu sich zu nehmen, nämlich das Wort Gottes. Selbst Besuche von Gottesdiensten und Bibelkreisen bringen uns nichts, wenn wir nicht bereit sind, die dargebotene Nahrung aufzunehmen: Dann ist das, was wir tun, allenfalls frommer Schein.
Diejenigen aber, die das geistliche Brot wirklich und regelmäßig aufnehmen, wachsen und werden geistlich groß und stark: Für Gott sind sie brauchbar, weil sie dann Aufgaben übernehmen können. Diejenigen, die geistliche Babys bleiben, sind dauerhaft auf Fürsorge angewiesen und bleiben geistliche Pflegefälle. Es liegt an uns, ob wir bereit sind, groß, stark und damit im Glauben auch erwachsen zu werden. Jesus ist dieses Lebensbrot.
Jesus zu essen bedeutet keinen Kannibalismus oder keine theologische Verkrümmung, sondern meint, sich mit Jesus zu befassen, die Schriften zu lesen, die Auslegungen dazu zu studieren und zu hören, sich Gedanken darüber zu machen, um Ihm immer ähnlicher zu werden. Jemand, für den Jesus das Brot des Lebens ist, stellt sich die Frage: "Was würde Jesus tun?" Diese Frage bleibt nicht hypothetisch, und sie ist keine theologische Spielerei, sondern bemüht sich, eine Antwort zu finden, um diese dann in der Praxis zu gut als möglich umzusetzen. Jesus selbst wurde ja in Seiner menschlichen Gestalt in das Haus eines Handwerkers geboren: Sein Pflegevater Joseph war Zimmermann, und Jesus ergriff ebenfalls diesen Beruf. Deshalb ist das, was Jesus lehrt, keine theoretische, weltfremde und allenfalls für universitäre Schöngeister taugliche Lehre, nein, denn das, was Jesus sagt, ist alltagstauglich und praktikabel.
So lehrt Er im Matthäusevangelium (Vom Weltgericht), dass wir Nackte kleiden, Gefangene besuchen, Hungernde speisen sollen. Er zeigt uns in der Bergpredigt, wie wir Rache durchbrechen können und Feindesliebe den Kreislauf des Bösen durchbricht. Jesus überließ diejenigen, die sich an Ihn wandten, nicht ihrem Schicksal. Anders als im Hinduismus und im Buddhismus sprach Er nicht von einem Karma; den Blindgeborenen und dessen Familie verteidigte Er sogar gegen den Vorwurf, dass dies nur durch Sünde gekommen sei, sondern wies darauf hin, dass wir alle Sünder sind, die Seiner Vergebung bedürfen. Deshalb ist Er ja in die Welt gekommen, um uns zu erlösen.
In diesem Bibelabschnitt wird zudem deutlich, dass wir alle kommen dürfen wie wir sind. Die Hirten, denen Seine Geburt als Erstes kund getan wurde, gehörte zu dem Pöbel jener Zeit, das nicht vor Gericht aussagen durfte, sind Ihm genauso willkommen wie die Weisen aus dem Morgenland, die einer privilegierten Schicht, den oberen Zehntausend, angehörten. Jesus hatte für den Zöllner genauso Zeit wie für Nikodemus, den Pharisäer, der sich für Seine Lehre interessierte. Die samaritanische Frau lehrte Er, obwohl Männer damals in der Öffentlichkeit nicht mit Frauen sprachen und schon gar nicht mit Samaritern.
Hier zeigt sich auch, dass Jesus das tut, was Er sagt: Zwischen Seiner Lehre und Seinem Leben gibt es keinen Unterschied. Wir dürfen also so kommen, wie wir sind. Jesus kennt keine Klassen- oder Standesdünkel. Wir können Milliardäre sein oder Bettler, Erfolgreiche oder Gescheiterte: Danach fragt Jesus nicht. Er stößt niemanden heraus.
Jesus sagt uns, dass der, der an Ihn glaubt, das ewige Leben hat, dass Christgläubige, die Ihn als Brot des Lebens annehmen, in geistlicher Hinsicht niemals mehr dürsten oder hungern. Deshalb müssen wir, wenn wir dieses Brot, wenn wir Jesus zu uns und in unser Herz aufnehmen wollen, Ihn als das ansehen, was Er ist, als den Sohn Gottes. Er ist als Gott, der Sohn vom Himmel herab gekommen. Niemand kann das erkennen, es sei denn, es ist Ihm vom Vater gegeben. Vergessen wir das nicht.
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