Wer von uns kennt nicht das Buch Exodus, das 2. Buch Mose, in dem es um den Auszug des hebräischen Volkes aus Ägypten geht? Weil der Pharao halsstarrig ist und das Volk nicht ziehen lässt, straft Gott die Ägypter mit den zehn Plagen; jede einzelne Plage wirft einen ägyptischen Götzen vom Sockel. Vielleicht schütteln wir den Kopf über einen Pharao, der sich nicht belehren lassen wollte und den alle Strafen nicht zur Vernunft brachten. Vielleicht denken wir auch, dass es recht geschehen ist, denn Sklaverei ist nach unserer Auffassung richtigerweise ein Verstoss gegen die Menschenrechte.
Doch sind wir vernünftiger? Wir haben immer mehr Gottes Gebote verlassen: Längst haben wir uns mit einer steigenden Zahl von Ehescheidungen abgefunden, Ehen ohne Trauschein, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften und ausserehelicher Geschlechtsverkehr sind für uns gang und gäbe. Höflichkeit hat Seltenheitscharakter, und wer steht schon für Ältere, Kranke oder Behinderte auf? Wer hilft einer Mutter mit einem Kinderwagen in den Zug oder in den Bus? Lehrer kennen den Burn Out, weil ihre Schüler wild und unerzogen sind. Kleine Lügen, Versicherungsbetrug und Ladendiebstähle sind ein Volkssport geworden, und die Staatsanwaltschaften ermitteln bei solchen Bagatellen längst nicht mehr. Haben wir da nicht auch die Zehn Plagen Ägyptens und wollen es nicht bemerken?
Bei den Ägyptern wurde Wasser zu Blut, und wir bekommen die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff: Trotz aller Erfolgsmeldungen und Berichte über den Wirtschaftsaufschwung ist die Sockelarbeitslosigkeit seit der Ölkrise von 1973 / 1974 permanent gestiegen.
Die Ägypter hatten Frösche; wir schneiden bei Pisa schlecht ab: Unsere Schüler werden - so scheint es - immer dümmer. In den Naturwissenschaften stehen sie weit hinten. Was früher noch das gesicherte Wissen der Mittleren Reife galt, muss heute von Studenten an den Unis erst gebüffelt werden. Handwerksbetriebe wundern sich, dass ihre Azubis kaum noch eine Flächenberechnung hinbekommen, der Dreisatz - in kaufmännischen Berufen Grundvoraussetzung - ist selbst Abiturienten oft unbekannt. Die Kenntnis großer deutscher Dichter ist fast unbekannt, Abfragen über Geschichtswissen wird zu einem Desaster.
Die Ägypter bekamen es mit den Mücken zu tun, wir haben eine steigende Kriminalität; selbst in der ländlichen Gegend, in der ich lebe, nämlich der Eifel, nehmen Gewaltverbrechen zu. Eine nahegelegene Tankstelle wurde innerhalb eines halben Jahres mindestens viermal unter Androhung von Schusswaffen überfallen. Selbst die Gewalt an Schulen wird immer grässlicher: Dort gibt es längst schon Schutzgelderpressungen, die auch bei Grundschülern eher an die Mafia erinnern, und es geht schon lange nicht mehr um Pausenbrote. Bei denen, die auf dem Boden liegen, wird noch nachgetreten, eine Tatsache, die während meiner Schulzeit undenkbar war: Hätte da einer gewagt, die Hand gegen jemanden zu erheben, der aufgab oder verloren hatte, der hätte Klassenkeile bekommen und wäre verpetzt worden: Der Lehrer hätte eine solche Vorgehensweise hart geahndet, von den Eltern ganz zu schweigen. Aber das ist noch nicht alles: Man kann sich selbst in kleinen Dörfern harte Drogen beschaffen. Auf Sankt Pauli und im Bahnhofsviertel Frankfurts am Main kann man sogar Morde bestellen.
Die Ägypter hatten Hundsfliegen, und wir haben den Terror ohnegleichen: Selbst an relativ unbedeutenden Bahnhöfen wie den Hauptbahnhof in Koblenz gibt es konkrete Terrorwarnungen; sie gehören zum Alltag bei internationalen Flughäfen selbst in Staaten, die als sicher gelten.
Bei den Ägyptern gab es eine Viehseuche, bei uns enden die Skandale nicht: Pfusch am Bau bei dem Kölner Ubahnprojekt, ein Skandal um den Nürburgring, wo Millionen an Landessteuern versickern, Parteispendenaffären, Schmiergeldaffären und Korruption sind auch in Deutschland längst Alltag und längst kein "italienisches" Problem mehr.
Die Ägypter schlugen sich mit Geschwüren herum, und wir schlagen uns mit Aids herum, dessen Verbreitung vor allem durch sexuelle Promiskuität und Treulosigkeit verbreitet wird.
Die Ägypter bekamen den Hagel, und bei uns gibt es ein Mehr an Naturkatastrophen: Alljährlich brennen US-amerikanische Wälder, und es kommt in den USA immer häufiger zu Schneekatastrophen. Australien hatte einen Wirbelsturm und nun Hochwasser; letzteres ist den Bewohnern an Rhein und Mosel bekannt, wenn auch zum Glück nicht in australischen Ausmaßen. Doch die Hochwasser werden auch hier immer schlimmer; Wirbelstürme nehmen zu, auch in Europa, und Erdbeben gibt es ebenfalls immer mehr.
Die Ägypter hatten Heuschrecken, und bei uns wachsen die Wüsten: Selbst die iberische Halbinsel ist betroffen, auch dort wächst die Wüste permanent. Sahara und Goby werden ebenfalls immer grösser.
Die Ägypter bekamen eine Finsternis, bei der man die eigene Hand vor den Augen nicht erkannte, aber wir leben in einer geistlichen Finsternis: Kaum jemand kennt noch die Bibel; die Kirchenbesuche nehmen ab, die Zahl der Austritte steigt, während immer mehr Menschen sich an Geisterbeschwörer, Wahrsager, Hexenmeister und esoterische Berater wendet. Unsere geistliche Finsternis artet in einer Katastrophe aus.
Die Ägypter mussten den Tod ihrer männlichen Erstgeburt hinnehmen bei Menschen und beim Vieh. Wir allerdings machen das schon selbst: 300 000 (!) Kinder werden pro Jahr im Mutterleib offiziell getötet, drei Grossstädte im Jahr. Wenn das kein Holocaust ist!
Der Pharao liess darauf die Hebräer ziehen und erfüllte damit den Willen Gottes, doch dann setzte er ihnen nach und verlor seine Armee mit Streitwagen, Pferd und Axt. Auch wir sind auf den Weg der Selbstzerstörung. Schaffen wir die Umkehr noch, die nötig ist, um unsere Plagen in Segen umzuwandeln? - Das hängt von jedem einzelnen von uns ab, davon, ob wir uns ganz persönlich als Einzelpersonen auf Christus Jesus einlassen oder nicht, denn jeder Christ ist wie ein Stein, der ins Wasser fällt: Er zieht Kreise.
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