Jesus hat die Sünde der Ehebrecherin nicht entschuldigt; Er nahm sie sogar in die Pflicht: Indem Er sagte: "Geh hin und sündige hinfort nicht mehr!", verlangte Er sehr viel von ihr. Durch ein verändertes Leben sollte sie zeigen, dass sie umgekehrt war zu Jesus. Das sollen wir auch zeigen: Indem wir unsere Sünde lassen - sei es Ehebruch, Hurerei, Drogenmissbrauch, Lüge, Betrug, Steuerhinterziehung oder sonst irgend etwas -, sollen wir zeigen, dass wir zu Jesus gehören.
Interessant ist aber vor allem Vers 7: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie." In den meisten Bibeln ist dieser Satz fettgedruckt. Ist es nicht auch eine grosse Warnung für uns? Wie schnell sind wir dabei, auf Andere zu zeigen und deren Sünden breit zu treten. Zu gern beweihräuchern wir uns damit selbst: Indem wir die Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit der Anderen ausbreiten, wollen wir von unserer eigenen Schlechtigkeit und Sündhaftigkeit ablenken und unsere Schuld klein- und schönreden.
Nein, eine Ausnahme bin ich hier ganz sicher nicht: Andere sollen mir verzeihen, aber mir erlaube ich, nachtragend zu sein. Wie schnell zeige ich selbst mit dem Finger auf Andere, pflege die eigenen Vor- und Fehlurteile. Sicher: Manchmal habe ich inhaltlich sogar recht, wenn ich die Schuld eines Anderen breit trete. Doch darf ich wirklich den ersten Stein werfen?
Ohne Sünde bin ich wirklich nicht: Eine Lüge hier, eine Unaufrichtigkeit da. In der Schule habe ich auch geschummelt und nicht immer die Hausaufgaben gemacht. Ich habe ganz schön viel Mist gemacht. Einen Stein sollte ich wirklich nicht werfen, schon gar nicht als Erster!
Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Schuld von Anderen umzugehen, und sicher sollen wir nicht hinwegsehen, wenn Andere straucheln. Aber es macht einen Unterschied, ob wir mit Steinen werfen oder einem Anderen den Weg zurück anbieten. Jesus hat ja auch der Ehebrecherin die Hand der Versöhnung ausgestreckt. Dabei war und ist Jesus stets sündlos: Nicht den geringsten Fehltritt kann man Ihm vorwerfen! Er hätte alles Recht, den ersten Stein zu werfen, doch selbst am Kreuz bat Er: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Auch dem Häscher zu Seiner Rechten sprach Er Vergebung zu: "Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!"
Wie viel mehr sollten wir als Sünder bereit sein zu vergeben! Jesus hat uns schliesslich erklärt, dass unsere Sünden nur dann vergeben werden, wenn wir auch bereit sind zu vergeben. Als Er den Jüngern das Vater unser gelehrt hat, wies Er darauf hin, und auch das Gleichnis vom Schalksknecht lehrt uns, dass wir Vergebung nur dann in Anspruch nehmen können, wenn auch wir bereit zur Vergebung sind.
Verurteilt ist immer sehr schnell. Der Stab über Andere ist immer flink gebrochen, und so mancher wurde ausgegrenzt oder sogar in den Wahnsinn oder Selbstmord getrieben, nur weil er - aller Reue zum Trotz - keine Vergebung erfuhr.
An einem habe ich mich einmal sehr versündigt, doch als ich bereute und vor ihm stand - ängstlich und ziemlich fertig -, vergab er mir. Das packte mich bei meiner Ehre und dem letzten bisschen Selbstachtung. Ich würde ihm bewusst nie mehr ein Leid zufügen, und auch im Umgang mit Anderen bin ich dadurch vorsichtiger, umsichtiger und zuvorkommender geworden. Vergebung verändert viel zum Guten, der geworfene Stein hingegen verwundet und zerstört Chancen.
Auch wenn wir einem Sünder sagen: "Das war und ist nicht okay!", so tun wir doch gut daran, versöhnlich zu sein. Auch wenn wir einem Sünder die Konsequenz seiner Tat auferlegen, so ist es doch etwas Anderes, wenn er weiss, dass man ihm vergeben hat. Oft ist es sogar so, dass der Betreffende von selbst versucht, seine Schuld so gut als möglich wieder gut zu machen.
Ich habe auch einen Nachbarschaftsstreit gehabt. Aber als die Nachbarn weg nach Koblenz zogen, brachten wir die Angelegenheit ins Reine. Eigentlich wussten wir gar nicht mehr, wie es anfing und wer wo wann schuldig wurde. Aber wir warfen nunmehr keinen Stein, sondern reichten uns die Hand. Obwohl wir keine echten Freunde geworden sind, so können wir heute vernünftig miteinander reden und zerreiben uns nicht in einem unsinnigen, fruchtlosen Kleinkrieg. Und das ist doch allemal besser als sich Magengeschwüre zuzulegen.
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