Der heutige Predigttext aus 1. Johannes 2, 15 -17 scheint ganz und gar nicht in unsere heutige Zeit zu passen.Oder es ist so, dass er gerade in die heutige Zeit passt?
Es ist schon einige Zeit her, aber es könnte auch gestern passiert sein, so aktuell ist es, da hörte ich ein junges Mädchen sagen. ”Ich nehme jetzt an möglichst vielen Parties teil, denn mit der Freude am Leben ist es später sowieso vorbei.” Eine eigenartige Ansicht vom Leben zeigt sich in dieser Äusserung: Die Zeit des Erwachsenseins ist für dieses Mädchen gar nicht erstrebenswert, da diese Zeit voller Forderungen ist. Das Leben ist nur lebenswert, wenn es Lust und Spaß bereitet. Wenn wir heute die Medienwelt betrachten, dann hat dieses junge Mädchen das Lebensgefühl einer ganzen Epoche ausgedrückt.” Genuss haben, Lust gewinnen, Spaß haben“ - das ist der Sinn des kurzen Lebens. So wird es uns eingeredet. Aber was sagt Johannes? “Die Welt vergeht mit ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit”. Johannes setzt das ewige Leben gegen die vergängliche Lust in dieser Welt.
Nun ist es sicher so, dass das Wort “Welt” zweierlei bedeuten kann. Die Welt als Gottes gute Schöpfung und die Welt als Ort vielfacher Versuchung. Die Welt als Gottes Schöpfung umfasst die farbenprächtigen Wälder jetzt im Herbst, die unser Auge erfreuen, die immer noch reichlich vorhandenen wilden Tiere hier im Westerwald, die prächtige Fluss- und Seenlandschaft, die wir genießen können, die Gärten mit ihrer Blumenpracht, die Kraniche, die zwei Mal im Jahr mit ihrem eigenartigen Geschrei über uns hinwegziehen, dann der Himmel am Tag mit den großartigen Wolkengebilden und des Nachts mit den unzählbaren Sternen, hinter denen sich die scheinbar unendlichen Räume des Weltalls verbergen. Albert Einstein hat allerdings bewiesen, dass das Universum endlich ist. Das alles ist “die Welt” als gute Schöpfung Gottes, an der wir uns zurecht jeden Tag freuen sollen. Und diese Welt sollen wir lieben und bewahren. Die Lust an dieser guten Schöpfung Gottes ist heilsam und macht glücklich. Die Psalmen snd voll des Lobes auf Gott den Schöpfer.
Aber es gibt auch die andere “Welt”, das ist die ”Welt” als Gegenmacht Gottes. Es ist die Welt der Gier nach Gewinn auf den Finanzmärkten, die uns gerade jetzt möglicherweise in eine Wirtschaftskrise, jedenfalls in eine Wirtschaftsstagnation gestürzt hat, es ist die Welt der Süchte, eine Wirklichkeit, die sich immer mehr ausweitet und alle Bereiche des Lebens erfasst, es ist die Welt des ständigen Alkoholkonsums in vielen Familien, die Welt der Drogen, der Parties, der Sex-Industrie , der zunehmenden sexuellen Verwahrlosung bei vielen Kindern in Deutschland und in ganz Europa, diese Welt als Gegenmacht Gottes ist die traurige Wirklichkeit der zerbrochenen Ehen, der 300.000 Abtreibungen von im Mutterleib werdenden Kindern pro Jahr, die erschreckende Tatsache der vielen von den eigenen Eltern misshandelten Kinder, der Korruption in der Wirtschaft, ohne die es kaum noch Aufträge gibt, die Welt der nicht aufhören wollenden Gewaltanwendung zwischen Stämmen, Völkern und Kulturen.. Und diese Welt als Gegenmacht Gottes ist mit der anderen Welt, der Welt als guter Schöpfung Gottes so eng verbunden, wie eine Krankheit mit unserem Körper verbunden ist.
Von dieser Welt als der Gegenmacht Gottes spricht Johannes. Und diese Welt sagt er, wird vergehen. Wie kann diese Welt als die Gegenmacht Gottes vergehen?. Werden sich alle Menschen schlagartig Gott zuwenden? Wird sich die ganze Menschheit bekehren? Ist es das, was Johannes im Auge hat? Verheisst uns die Bibel die Rückkehr des Paradieses auf der Erde?
Liebe Gemeinde. Wehe uns, wenn wir diese Hoffnung haben sollten. Anfang des 19. Jahrhunderts hatten einige große deutsche Denker diese Hoffnung. Als diese Denker das Tübinger Stift, ein Internat für angehende Theologen, verließen, es waren Hegel, Schelling und Hölderlin - da riefen sie sich zu: “Reich Gottes.” Sie wollten das Reich Gottes auf der Erde aufrichten. Karl Marx war der gelehrige und bedeutendste Schüler von Hegel. Was Hegel nur als Idee in seinen Schriften mitgeteilt hatte, wollte er in die Tat, also in die geschichtliche Wirklichkeit umsetzen. Er sprach allerdings nicht mehr vom Reich Gottes, denn er glaubte nicht an Gott, er sprach von der Herrschaft des Proletariats, aber in seinem Kopf steckte noch die Vorstellung von einem Paradies auf der Erde, allerdings von Menschen hergestelltem Paradies. In diesem Paradies sollte es keine Verbrechen und keine Not mehr geben. Auch in dem Kopf von Albert Schweitzer, dem berühmten Urwaldarzt von Lambarene steckte die Vorstellung, dass man aus der Welt eine Art Paradies machen könne. Er hat tatsächlich geglaubt, dass man die Atombombe wieder abschaffen könne. Ich habe ihn im Goethe-Haus in Frankfurt noch kennengelernt. Die Ideen von Karl Marx bescherten uns aber kein Paradies auf der Erde sondern 100 Millionen Tote und eine moralische Deformation der Menschen von Magdeburg bis Wladiwostok. Russland hat sich bis heute nicht von der Katastrophe des Kommunismus erholt.
Die “Welt” als Gegenmacht Gottes vergeht nicht durch menschliche Ideen, durch gute Vorsätze oder durch Menschenkraft, sondern nur durch Gottes Eingreifen. Die Heilige Schrift spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnen wird. Der alte Presbyter Johannes, der auf Patmos vom auferstandenen Christus Visionen über die Kirchengeschichte und die letzte Epoche auf der Erde und im Universum erhält, darf am Ende des Geschichtslaufes das neue Jerusalem sehen, das ewige Reich Gottes. Die erste Schöpfung, in der die Welt als Gegenmacht Gottes zunehmend, mit dem Fortschreiten der Zeit, das Sagen bekam, ist in den Gerichten Gottes untergegangen. Gott hat aber nach dem Weltgericht seine erste gute Schöpfung noch einmal in ganzer Herrlichkeit erstehen lassen. Und diese neue Schöpfung wird ewig bleiben. In ihr werden die Erwählten ewig regieren. In dieser neuen Schöpfung, im neuen Jerusalem, wird es keine Sünder mehr geben, Menschen, die den Willen Gottes missachten, der Satan ist in die ewige Verdammnis gestürzt worden, und es gibt auch den Tod nicht mehr. Hier im neuen Jerusalem wird die Verheißung endlich wahr werden:” wer den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit”.
Johannes schreibt:” Wenn jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hochmütiges Wesen, ist nicht vom Vater sondern von der Welt.”
Wir werden vor die ganz klare Alternative gestellt: Liebe zum Vater oder Liebe zur Welt. In evangelikalen Kreisen - früher sagte man: bei Pietisten - sind diese Worte oft verstanden worden als Aufforderung zur strikten Trennung von allen öffentlichen Vergnügungen, vor allem vom Tanzen, oft auch als striktes Verbot von jedem Alkoholgenuss und jeglichem Rauchen. Das kann aber hier von Johannes nicht gemeint sein, denn dann würde sich die Bibel selber wiedersprechen. Der fröhliche Reigentanz war im AT sehr beliebt, an ihm waren alle Generationen beteiligt. Ich habe solchen Tanz in Akko im heutigen Israel anlässlich einer Hochzeit selber miterlebt. Noch und wieder tanzt das Volk Israel vor der Klagemauer, dem Erinnerungsort an den Tempel, zur Ehre Gottes. Paulus schreibt an Timotheus, dass er nicht immer nur Wasser trinken soll, sondern wegen seines Magens auch einmal Wein. Im AT heisst es: der Wein erfreut des Menschen Herz. Geraucht wurde im Abendland erst nach der Eroberung Amerikas. Die Konquistadoren brachten diese Sitte von den Indianern mit nach Europa. Heute wissen wir, dass das Rauchen tatsächlich eine Unsitte ist, weil es in jedem Fall den Körper schädigt. Und eine Schädigung des Körpers ist uns von Gott strikt verboten. Deswegen ist auch jegliche Tätowierung und das Piercing in der Bibel streng verboten. Jede, auch nur die geringste Verletzung oder Schädigung des Körpers ist in der Bibel verboten, denn der menschliche Körper ist dazu vorgesehen, der Tempel des Heiligen Geistes Gottes zu werden..
Wenn wir erfahren wollen, welche Freude und welche Lust in Gottes Augen wohlgefällig ist, und welche nicht, dann brauchen wir nur die Bibel aufzuschlagen. Sie gibt uns auf alle unsere Fragen die zutreffende Antwort. Man muss allerdings das AT genauso wichtig nehmen wie das NT. Wer nur das NT befragt, der könnte in die Gefahr kommen, weltflüchtig zu werden. Das NT spricht längst nicht so oft von der guten Schöpfung Gottes wie das AT. Das Volk Israel musste über einen Zeitraum von 1200 Jahren, nämlich von Mose bis Jesus, lernen, inmitten der guten Schöpfung Gottes und gleichzeitig mitten in einer heidnischen Umwelt den Willen Gottes zu tun. Die heidnische Umwelt war geprägt von Fleisches-Lust und Augen-Lust und hochmütigem Wesen, dazu von massivem Götzendienst. An jedem Tag war das Volk Israel herausgefordert, Gottes Willen zu tun in der Zurückweisung der Versuchungen, die von den Heiden an sie herangetragen wurden. Daher kann man im AT auf jeder Seite Anschauungsmaterial für den Kampf Israels um die rechte Erfüllung des Willens Gottes finden.
Im Bewusstsein unserer Gemeinden gibt es in der Regel die Vorstellung, das NT sei viel milder als das AT. In Wahrheit ist es umgekehrt: das NT fordert viel stärker die unbedingte Erfüllung des Willens Gottes als das AT. Wusstet Ihr, liebe Gemeinde, dass die Bergpredigt Jesu die Gebote des Sinai nicht abschwächt, sondern erheblich verschärft? Das AT kennt noch nicht die ewige Verdammnis, das NT, vor allem Jesus selbst, spricht dagegen oft von der realen Gefahr der Verdammnis, d.i. auf ewig vom Reich Gottes ausgeschlossen zu werden und auch ewig darum zu wissen, dass man ausgeschlossen ist.
Unser Jesus-Bild ist geprägt von der Vorstellung des milde lächelnden Jesus, wie er mit den Jüngern durch das Kornfeld wandert oder wie er sich liebevoll um ein verlorenes Schaf kümmert. Und das tut Jesus auch wirklich: Aber der Jesus, der nach seiner Wiederkunft auf dem Thron sitzen wird und die Böcke von den Schafen trennen wird, also die Verdammten von den Erwählten, diesen Jesus haben wir verschwiegen, verdrängt, nicht zur Kenntnis genommen und schliesslich vergessen. Aber genauso, nämlich als den Weltenrichter und als unseren eigenen Richter werden wir alle einst Jesus erleben.
Die Folge unseres verkürzten Jesus Bildes ist schlimm: die Verkündigung der Kirche wird von den Menschen nicht mehr ernstgenommen. Ein Wellness-Christentum ist entstanden, das nur dann in Anspruch genommen wird, wenn man nach Wellness für die Seele verlangt. Es ist ein Christentum in Deutschland entstanden, das man ohne jede Gefahr vernachlässigen kann. Daher kommen kirchliche Vertreter auch kaum noch im Fernsehen vor. Die für das Fernsehen Verantwortlichen wissen genau: die Kirchenvertreter sagen das, was andere kluge Leute genauso, vielleicht sogar noch besser, sagen können.
Es ist lebenswichtig, wichtig schon für dieses und vor allem für das kommende Leben, zu dem wir berufen sind, das ganz ernstzunehmen, was Johannes hier sagt. “Die Welt vergeht mit ihrer Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.” Amen
Predigt über 1. Johannes 2, 15 -17 in Herschbach und Steinen am 19.10.08
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